Lützerath ist ein Weiler der Stadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen. Der Energieversorgungskonzern RWE plant, Lützerath vollständig abzureißen, um den Tagebau Garzweiler auszudehnen, wie schon den unmittelbar südöstlich gelegenen Nachbarort Immerath. Die Umsiedlung des Ortes begann 2006 und wurde im Oktober 2022 endgültig abgeschlossen. Gegen den Abriss des Dorfes und die Abbaggerung des Gebietes regt sich bis heute Widerstand. In Anlehnung an das Wort Hambi, das sich im Hinblick auf die Protestaktionen im Hambacher Forst gebildet hatte, entstand unter dort weiterhin lebenden Aktivisten für den Ort der Name „Lützi“.[2][3][4] Seit 2021 wurde in der Bundes- und Landespolitik vermehrt über den Erhalt des Dorfes diskutiert. Anfang Oktober 2022 entschieden das Bundes- und das Landeswirtschaftsministerium endgültig, dass die Kohle unter dem Gebiet Lützeraths durch die RWE Power AG bergbaulich in Anspruch genommen werden dürfe.
Lützerath Stadt Erkelenz 51.0596.42795 | |
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Höhe: | ca. 95 m |
Einwohner: | 8 (30. Jun. 2022)[1] |
Postleitzahl: | 41812 |
Vorwahl: | 02164 |
![]() Lützerath im Abbaubereich Tagebau Garzweiler | |
![]() Lützerath von oben vor dem Abrissbeginn (2019) |
Der Umsiedlungszielort war, wie für Immerath, das weiter westlich gelegene neue Dorf Immerath (neu). Lützerath wird also an anderer Stelle als eigenständiger Ortsteil nicht neu errichtet.
Im Norden grenzen das bereits vollständig abgebaggerte Alt-Borschemich und Keyenberg an Lützerath, im Osten Alt-Spenrath, im Süden Alt-Immerath und im Südwesten Holzweiler. Der Weiler liegt zwischen Düsseldorf und Aachen und ist von beiden Städten aus in ca. 40 Minuten mit dem PKW zu erreichen.
Die Ortschaft wurde erstmals 1168 in einer Urkunde als Lutzelenrode erwähnt. Aus dem Jahre 1651 ist der heutige Name überliefert. Die Form, wie sie in der urkundlichen Ersterwähnung angegeben ist, lässt sich als fossilisierte Dativform deuten, die im Althochdeutschen etwa als bi demo luzzilen rode, d. h. „bei der kleinen Rodung“, zu rekonstruieren ist. Althochdeutsch luzzil entspricht etymologisch dem nicht mehr gebräuchlichen neuhochdeutschen Wort lützel, d. h. klein (vgl. englisch little oder luxemburgisch Lëtzebuerg). Der Umlaut ist als I-Umlaut, also durch regressive Assimilation des u an das ehemalige i in der Nebensilbe entstanden.[5][6] Eine andere Deutung ist, dass in dem Ortsnamen der althochdeutsche Personenname Lutzelin, abgeleitet von Luzo (Ludwig), enthalten sei, wonach der Name „Rodung des Luzelin“ bedeute. Wie Immerath gehört er zur Gruppe der Ortsnamen mit dem Suffix -rath.
Der Neuwerker oder Paulshof gehörte 1135 zur Abtei der Benediktinerinnen in Neuwerk.
Der Wachtmeisterhof war von 1265 bis 1802 im Besitz des Klosters der Zisterzienserinnen in Duissern bei Duisburg. Seit einigen Generationen gehört er einem Anwohner.[7]
Der Junkershof gehörte zunächst den Edelherren von Wevelinghoven, diese starben aber Ende des 14. Jahrhunderts aus und deren Herrschaft gelangte an die Grafen von Bentheim-Tecklenburg. Bis 1797 war der Hof in gräflichem Besitz.
Am 27. Februar 1945 nahmen US-Soldaten des 116. Regiments der 29. US-Infanteriedivision Lützerath während der Operation Grenade ein.
Seit 2020 lässt der Tagebaubetreiber RWE Power AG in Lützerath Pflanzen roden und Häuser abreißen. Im Rahmen der Proteste von Braunkohlegegnern und Klimaschützern wurde eine Mahnwache installiert, Dorfspaziergänge und Demonstrationen veranstaltet und es kam wiederholt zu Hausbesetzungen.[8]
Im April 2021 kündigte der ortsansässige Landwirt Eckhard Heukamp an, die Inanspruchnahme seines Eigentums anzufechten. Vor dem Verwaltungsgericht Aachen wurde Widerspruch gegen einen „Grundabtretungsbeschluss“ eingelegt. Heukamps Anwalt sieht die Enteignung, unter anderem in Bezug auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2013, als rechtswidrig an, denn die Braunkohleplanung der 1990er Jahre entspricht seiner Auffassung nach nicht mehr den Maßgaben neuerer Gesetze zum Klimaschutz und Kohleausstieg.
RWE Power wollte den Ausgang einer Klage nicht abwarten und beantragte eine „vorzeitige Besitzeinweisung“ zum 1. November 2021 bei der bergbaurechtlich zuständigen Bezirksregierung Arnsberg,[9] welche jedoch nach dem Garzweiler-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig ist.[10] Dennoch hat die Bezirksregierung Arnsberg RWE Power zum 1. November 2021 vorzeitig in den Besitz dieser Grundstücke eingewiesen. Das Verwaltungsgericht Aachen lehnte die Eilanträge Heukamps und zweier Mieter aus Lützerath dagegen ab.[11] In der Folge legten die Betroffenen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster ein. Zunächst wollte das Gericht bis zum 7. Januar 2022 eine Entscheidung treffen. RWE Power hatte dem Gericht gegenüber zugesagt, solange von der Räumung der Beschwerdeführer abzusehen.[12] Am 20. Dezember 2021 erklärte das Gericht im Hinblick auf eine nicht mögliche Anhörung eines Berichterstatters bis Anfang Januar 2022, dass es den Fall zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden wolle. Es untersagte RWE Power, auf den Grundstücken der Kläger bis dahin Abrissarbeiten oder sonstige Vorbereitungsmaßnahmen durchzuführen.[13] Am 28. März 2022 bestätigte das OVG Münster die Entscheidung des VG Aachen mit der Begründung, „dass die energiepolitische Grundentscheidung zugunsten der Braunkohleförderung und -Verstromung mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot vereinbar“ sei.[14] Die in Lützerath lebenden Aktivisten zeigten sich darüber enttäuscht und kündigten an, sich einer Räumung der Grundstücke Heukamps durch RWE Power entgegenzustellen.[15]
Auf dem Grundstück des Landwirts war bereits 2020 ein Protestcamp eingerichtet worden, das unter anderem die vorzeitige Inbesitznahme durch RWE erschweren soll. Dafür hat sich das Bündnis Lützerath lebt[16] aus lokalen und deutschlandweiten Bewegungen gebildet, in dem unter anderem Ende Gelände und Alle Dörfer bleiben beteiligt sind. Zum Jahresende 2021 wurde zudem einer der ins Eigentum von RWE Power übergegangenen Höfe[17] von Umweltaktivisten besetzt. Unterstützung erhielt die Bewegung vor Ort 2021 durch den Besuch von Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Vanessa Nakate. Am 31. Oktober 2021 kam es zeitgleich mit dem Beginn der UN-Klimakonferenz in Glasgow zu einer Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern.[18] Am 23. April 2022 fand in Lützerath eine Demonstration mit über 2000 Teilnehmern statt. Anlass war Heukamps Verkauf seiner Grundstücke an RWE Power, nachdem er den Prozess zur Abweisung der Enteignung verloren hatte.[19]
Die seit Dezember 2021 amtierende Bundesregierung unter Olaf Scholz beabsichtigt den Erhalt der nördlich von Lützerath bedrohten Dörfer. Die Entscheidung über Lützerath wolle die Regierung der Judikative überlassen.[20] Auch die seit Juni 2022 regierende Landeskoalition unter Ministerpräsident Hendrik Wüst spricht sich für den Erhalt der nördlich gelegenen Dörfer aus, erwähnt Lützerath in ihrem Koalitionsvertrag aber nicht.[21] Der Deutsche Bundestag sprach sich im Juli 2022 für den Erhalt des Dorfes aus. Er bezog sich dabei auf die Folgen des Überfalls Russlands auf die Ukraine mit der befürchteten Knappheit von aus Russland gelieferten Gas an Deutschland, wobei die Bundesregierung vorsieht, den aus Gas gewonnenen Strom weitgehend durch andere Energieträger, darunter Kohle, zu ersetzen. Der Bundestag forderte die Bundesregierung auf, zur Reduzierung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen stattdessen die Ausweitung der Tagebaue zu begrenzen und Lützerath zu erhalten.[22][23][24]
Am 4. Oktober 2022 kündigten RWE, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an, dass Lützerath abgebaggert werden solle. Dafür sollen die übrigen, noch nicht geräumten Dörfer erhalten und Ausstieg aus der Braunkohleverstromung auf 2030 vorgezogen werden.[25][26]
Lützerath gehörte jahrhundertelang zur Gemeinde und Pfarre Immerath. Seine Postleitzahl war bis 1993 die 5141, anschließend 41812.[27]
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Pesch († 2014)