Neukölln ist der namensgebende Ortsteil des nördlichsten und am dichtesten bebauten Teils des Berliner Bezirks Neukölln, der weithin aus Gründerzeitvierteln besteht. Bis 1920 war Neukölln eine eigenständige Stadt, die bis 1912 den Namen Rixdorf trug. Gelegentlich wird der Ortsteil zur Unterscheidung vom Bezirk auch als Nord-Neukölln bezeichnet.
Dieser Artikel erläutert den Ortsteil. Zu anderen Bedeutungen siehe Neukölln.
Das Gebiet nordöstlich des Hermannplatzes (Reuterkiez) gehört zum umgangssprachlichen so bezeichneten „Kreuzkölln“ (Kofferwort aus Kreuzberg und Neukölln).[1]
Ortsteile und Stadtquartiere
Zum Ortsteil Neukölln gehören die Ortslagen Rixdorf (um den Richardplatz, damals Deutsch-Rixdorf genannt) und Böhmisch-Rixdorf (um die Kirchgasse).
Weitere Stadtquartiere oder Wohnviertel im Ortsteil sind:
Rollbergsiedlung (an der Rollbergstraße)
Reuterkiez
High-Deck-Siedlung
Dammwegsiedlung
Weiße Siedlung
die Gebiete um die Schillerpromenade (Schillerkiez)
Körnerpark (Körnerkiez)
Flughafenstraße
Geschichte
Von der Ordenssiedlung im 13.Jahrhundert bis zum Dorf im Spätmittelalter
Das ehemalige Rixdorf wurde um 1200 von den Tempelrittern gegründet, die in Tempelhof ansässig waren. Archäologische Spuren einer slawischen Vorbesiedlung sind bisher nicht gefunden worden. Durch Wüstwerden wurde das Dorf in einen Wirtschaftshof der Tempelritter umgewandelt. 1318 wurden die Besitzungen der brandenburgischen Tempelritter dem Johanniterorden übertragen, weil der Templerorden 1312 aufgelöst worden war. Aus diesem Grund trägt das Wappen des Bezirks das Johanniterkreuz. Laut der in mittelniederdeutscher Sprache abgefassten Gründungsurkunde vom 26. Juni 1360 wurde der bis dato bestehende Hof Richarsdorp (Richarstorp/Richardstorff) in ein Dorf mit 25Hufen umgewandelt.[2] Diese seit 1945 verschollene Urkunde enthielt nicht nur die erste urkundliche Erwähnung von Rixdorf überhaupt, sondern war darüber hinaus die einzige vorhandene Dorfgründungsurkunde von Brandenburg. Dem Inhalt der Urkunde zufolge hatte Rixdorf Abgaben an den Pfarrer von Tempelhof zu leisten, kann also noch keine eigene Dorfkirche besessen haben. 1375 wurde das Dorf Rixdorf im Landbuch Karls IV. als Richardstorpp erwähnt, wiederum mit den bereits in der Gründungsurkunde erwähnten 25Hufen, eine relativ geringe Anzahl (der Durchschnitt lag bei rund 50). Die Komture von Tempelhof besaßen jedoch nicht mehr alle Rechte. Der Ortskern befand sich am Richardplatz. 1435 verkauften die Johanniter alle ihre Dörfer (Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde und Rixdorf) an die Städte Berlin und Kölln. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Rixdorf eine eigene Dorfkirche. Im Jahr 1525 wird das Dorf in Urkunden als Ricksdorf erwähnt.
Aus Richardsdorf und seinen drei niederdeutschen Schreibweisen Richarsdorp, Richarstorp, Richardstorff aus dem 14. Jahrhundert entwickelte sich im 15. Jahrhundert Reicherstorff, Richerstorp und Rigerstorp. Im nächsten Jahrhundert etablierten sich Reichstorff (1541), Richstorff oder Rigstorff (1542), während im 17. und 18. Jahrhundert die Bezeichnungen Rechsdorff, Risdorf, Riechsdorf, Riecksdorf, Ricksdorf gebräuchlich waren. Rixdorf wurde dann im 19. Jahrhundert mehr und mehr in den amtlichen Ortsverzeichnissen verankert und setzte sich als Ortsbezeichnung durch.[3]
Bevölkerungszuwächse durch Immigranten ab dem 18. Jahrhundert
Im Jahr 1737 gestattete Friedrich WilhelmI. die Ansiedlung böhmischer Exulanten in Ricksdorf, die wegen ihres evangelischen Glaubens vertrieben worden waren. Diese Anhänger der Herrnhuter Brüdergemeine bauten ihre eigene Kirche und siedelten in einem eigenen Bereich abseits des Dorfangers, entlang der heutigen Richardstraße. Das entstandene Böhmische Dorf erhielt schließlich im Jahr 1797 als Böhmisch-Rixdorf eine eigene Verwaltung. Der übrige Siedlungsteil wurde zu diesem Zeitpunkt (Deutsch-)Rixdorf genannt.
Die beiden selbstständigen Gemeinden Böhmisch-Rixdorf und Deutsch-Rixdorf wurden durch Erlass vom 11. Juli 1873 zur Gemeinde Rixdorf zusammengeschlossen.[4] Die neue Gemeinde hatte bereits 8.000 Einwohner und wuchs im Folgejahr auf 15.000 Einwohner.[5]
Rixdorf erlangt Stadtrecht und erhält den Namen Neukölln
Am 1.Mai 1899 bildete das damals 80.000 Einwohner zählende Rixdorf, bis dahin als größtes Dorf Preußens zum Kreis Teltow gehörig, einen eigenen Stadtkreis und bekam die Stadtrechte.[6] 1903 erhielt Rixdorf sein Wappen, mit dem Johanniterkreuz und dem Kelch (für die böhmischen Glaubensflüchtlinge). Die Umbenennung von Rixdorf zu Neukölln erfolgte mit Zustimmung von Kaiser WilhelmII. an dessen 53.Geburtstag am 27.Januar 1912[7] und wurde von den Behörden deshalb beschlossen, weil Rixdorf mittlerweile für die Berliner zum Inbegriff frivoler Unterhaltung geworden war, der damalige– und zum Teil noch heute– populäre Gassenhauer In Rixdorf ist Musike bringt das zum Ausdruck. Das negative Erscheinungsbild für den Ort sollte mit dem Namen abgestreift werden. Der Name Neucölln leitet sich von den nördlich des alten Rixdorf gelegenen Neucöllner Siedlungen ab, die auf die Lage vor den südlichen Toren des alten Berlin-Cölln hinweisen (vgl. Neu-Kölln).
1920 Teil von Groß-Berlin
Mit dem im Frühjahr 1920 vom Preußischen Landtag verabschiedeten Groß-Berlin-Gesetz (Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin)[8] wurden zahlreiche Umlandorte am 1.Oktober 1920 zu Groß-Berlin vereinigt und der Stadtkreis Neukölln zusammen mit den Dörfern Britz, Rudow und Buckow zum 14.Verwaltungsbezirk. Mit der Gebietsreform 2001 im Rahmen der Berliner Verwaltungsreform wurde der Bezirk Neukölln zum achten Verwaltungsbezirk der Bundeshauptstadt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Fall der Mauer
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Neukölln zum Amerikanischen Sektor von Berlin und war bis 1990 ein Teil von West-Berlin. Die Berliner Mauer trennte es vom Nachbarbezirk Treptow, der zu Ost-Berlin gehörte. Ebenso wie andere traditionelle Arbeiterviertel Berlins wie Kreuzberg und Wedding/Gesundbrunnen, die entlang der Sektorengrenze lagen, wurde Neukölln nach dem Mauerbau im August 1961 für die besser gestellten Bevölkerungsgruppen zunehmend unattraktiv. Vor allem wegen der preisgünstigen Mietwohnungen wurde es zum bevorzugten Wohnort von Einwanderern und Personen mit Migrationshintergrund. Zu den überwiegend aus der Türkei stammenden Gastarbeitern kamen später Menschen aus arabischen Ländern sowie Flüchtlinge. In den 2010er Jahren sind ca.15Prozent der Bewohner des Ortsteils türkischer und zehnProzent arabischer Herkunft.
Seit 1989
Nach dem Mauerfall endete die Isolation Neuköllns. Der Ortsteil wurde in den 1990er und 2000er Jahren als „Problemkiez“ und sozialer Brennpunkt bekannt, auch weil der damalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky immer wieder in der Öffentlichkeit Phänomene wie Kriminalität (Beschaffungs- und andere Drogenkriminalität), Verhaltensauffälligkeiten von Schulabbrechern, soziale Verwahrlosung sowie islamischen Fundamentalismus thematisierte und die Bezirksverwaltung gegen diese vorging. Parallel dazu wird seit den 2000er Jahren vor allem im Norden Neuköllns der Bezirk gentrifiziert. Zahlreiche Kneipen, kreative Läden, Cafés und Restaurants wurden eröffnet, machten Neukölln zu einem Szenekiez.[9]
Seit der Verwaltungsreform am 1.Januar 2001 bildet der Bezirk Neukölln den achten Berliner Bezirk (vorher den vierzehnten). Neukölln, Spandau und Reinickendorf blieben aufgrund ihrer Größe von mehr als 200.000Einwohnern die einzigen ohne Zusammenlegung mit einem anderen Bezirk.
Im Jahr 2018 veröffentlichte der Senat von Berlin einen Generalentwicklungsplan der Stadt. Darin enthalten sind auch Projektideen zur Bebauung einer elf Hektar großen Fläche am Koppelweg, nördlich der Mohringer Allee und des Britzer Gartens gelegen. Die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen sollen zu Bauflächen umgewidmet werden, auf denen Wohnhäuser unterschiedlicher Haustypen mit insgesamt rund 150 Wohnungen, eine Grundschule und Kitas entstehen. Die Flächen befinden sich nur teilweise im kommunalen Besitz, die Privateigentümer sollen aber auch zu entsprechenden Bauprojekten mit einem Anteil an Sozialwohnungen angeregt werden.[10]
Bevölkerung
Jahr
Einwohner
2007
149.466
2010
154.066
2011
158.429
2012
162.277
2013
165.086
2014
167.111
2015
168.035
Jahr
Einwohner
2016
166.504
2017
167.381
2018
167.051
2019
166.157
2020
164.636
2021
163.852
Quelle: Statistischer Bericht A I 5. Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin am 31. Dezember. Grunddaten. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (jeweilige Jahre)[11]
In Berlin-Neukölln wurde 2017 auf der Weserstraße auf dem Abschnitt zwischen Kottbusser Damm und Reuterplatz die erste Fahrradstraße des Bezirks ausgewiesen. 2018 folgte eine zweite Fahrradstraße, die über das Weigandufer führt. Es existieren Pläne, auch den Abschnitt der Pannierstraße zwischen Weser- und Pflügerstraße als Fahrradstraße umzubauen und damit eine Verbindung mit der Fahrradstraße am Weigandufer herzustellen.[21]
Individualverkehr
Die längsten und am dichtesten bebauten Straßen sind die Karl-Marx-Straße, die Hermannstraße und die Sonnenallee.
Bildung
Bereits im 19.Jahrhundert zeigte sich mit dem schnellen Bevölkerungswachstum die Notwendigkeit eines umfangreichen Schulbauprogramms. Gegen Ende des Jahrhunderts waren auf Betreiben des Gemeinderats neben der höheren Bildungsanstalt Städtische Realschule mit Progymnasium jeweils sieben Gemeindeschulen und zwar getrennt nach Knaben und Mädchen errichtet worden. Dazu kam noch je eine Schule der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde sowie eine Fortbildungsschule. Ebenfalls zur Verbesserung der Bildung trugen zwei Volksbibliotheken bei.[22]
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter Neuköllns
Daniel Friedrich Wanzlick (1819–1877), Kommunalpolitiker
Wilhelm Haegert (1907–1994), Ministerialrat und Leiter der Abteilung Propaganda im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda sowie SA-Sturmbannführer
Daniel Friedrich Wanzlick (1819–1877), Dorfvorsteher von Böhmisch-Rixdorf
Hermann Boddin (1844–1907), Bürgermeister von Rixdorf
Gustav Leyke (1851–1910), Kommunalpolitiker
Hermann Weigand (1854–1926), Stadtbaurat von Rixdorf
Leo Arons (1860–1919), Physiker, Kommunalpolitiker in Neukölln
Ernst Moritz Geyger (1861–1941), Bildhauer und Maler, wohnte am Karl-Marx-Platz 16–18
Curt Kaiser (1865–1940), letzter Oberbürgermeister Rixdorfs, wohnte in der Kaiser Friedrichstraße64 (heute: Sonnenallee124)
Emil Wutzky (1871–1963), Gewerkschafter und Kommunalpolitiker (SPD)
Reinhold Kiehl (1874–1913), Stadtbaurat von Rixdorf
Alfred Scholz (1876–1944), Bezirksbürgermeister
Wilhelm Wittbrodt (1878–1961), Reformpädagoge, Politiker (SPD), Schuldirektor in der Rütlistraße, wohnte in der Anzengruberstraße 3
Fritz Karsen (1885–1951), Reformpädagoge, wohnte in der Sonnenallee 79
Kurt Löwenstein (1885–1939), SPD-Politiker, Reichstagsabgeordneter und Stadtrat in Berlin-Neukölln, Schulreformer, wohnte in der Geygerstraße 3 (Gedenktafel)
Erich Raddatz (1886–1964), Politiker (SPD)
Lisbeth Wirtson (1887–1977), Schauspielerin und Lehrerin, arbeitete von 1933 bis 1937 als Lehrerin in Berlin-Neukölln
Franz Künstler (1888–1942), Politiker (SPD, USPD) und Widerstandskämpfer, wohnte in der Elsenstraße 52
Dieter Althans, Robert Dupuis, Cornelia Hüge, Rainer Pomp, Jan Sonnenberg: Rathaus Rixdorf – Rathaus Neukölln, Veröffentlichung anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Neuköllner Rathauses. Bezirksamt Neukölln von Berlin, Bezirksbürgermeister/Hochbauamt, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-026396-5.
Heinz Buschkowsky: Neukölln ist überall. Ullstein Buchverlage, Berlin 2012, ISBN 978-3-550-08011-1.
Bezirksamt Neukölln von Berlin, Abt. Bauwesen (Hrsg.): 100Jahre Bauen für Neukölln – Eine kommunale Baugeschichte. Berlin 2005, ISBN 3-00-015848-0.
Christiane Borgelt, Regina Jost: Architekturführer Berlin-Neukölln. Stadtwandel Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-933743-91-5.
Wolfgang Borowski, Bezirksamt Neukölln von Berlin (Hrsg.): Berlin-Neukölln – Seine Geschichte und Denkmale Rixdorf. Berlin 1999.
Verena S. Diehl, Jörg Sundermeier, Werner Labisch (Hrsg.): Neuköllnbuch. Verbrecher-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-935843-28-3.
Bernd Kessinger: Neukölln. Die Geschichte eines Berliner Stadtbezirks. Vergangenheitsverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86408-064-7.
Neuköllner Kulturverein (Hrsg.): Nahaufnahme Neukölln. Kinos, Kameras, Kopierwerk. Argon Verlag, Berlin 1989, ISBN 3-87024-153-5.
Falk-Rüdiger Wünsch: Neukölln – Alte Bilder erzählen. Sutton Verlag, Erfurt 1998, ISBN 3-89702-096-3.
Dorothea Kolland (Hrsg.): „Zehn Brüder waren wir gewesen ...“ Spuren jüdischen Lebens in Neukölln. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-942271-29-5.
berlin.deChronik und Geschichte Neuköllns bei berlin.de, abgerufen am 12. Januar 2020
Gunda Bartels:Der Ruf war ruiniert.Wie aus Rixdorf Neukölln wurde.In:Der Tagesspiegel.26.Januar 2012,abgerufen am 25.September 2020.
Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin (Mementodes Originals vom 13. August 2017 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.verfassungen.de
Ulrich Paul: Auf Feld und Flur. Wo Berlin wächst: Der Senat plant elf neue Wohngebiete. Die Berliner sollen mitreden. In: Berliner Zeitung, 29. Mai 2018, S.14.
Kleinkunst im Schillerkiez – das Theater-Café „Sowieso“ (Mementodes Originals vom 26. September 2008 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schillerpromenade-quartier.de.
Info zum Film. (Mementodes Originals vom 4. Mai 2010 im Internet Archive)Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/gmfilms.de Abgerufen am 11. März 2010.
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