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Burtscheid (lat. Porcetum, frz. Borcette, Öcher Platt Botsched) ist eine ehemalige Stadt und ein heutiger Stadtteil von Aachen. Die Ortschaft wurde am 21. Januar 1018 erstmals urkundlich erwähnt, war aber zuvor schon von Kelten und Römern besiedelt. Im Jahr 1338 erhielt Burtscheid die Stadtrechte; 1816 wurde es Verwaltungssitz des Landkreises Aachen. Am 1. April 1897 wurde Burtscheid nach Aachen eingemeindet und gehört seit 1972 zum Stadtbezirk Aachen-Mitte. Burtscheid verdankt seine Entstehung und spätere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hauptsächlich seinen über 20 Thermalquellenvorbrüchen, die zum Aachener Thermalquellensystem gehören, sowie der Wurm mit ihren Zuläufen. Zur ehemaligen Stadt gehörten neben dem Zentrum die Ortsteile Beverau, Steinebrück und das Frankenberger Viertel.

Burtscheid
Stadt Aachen
Ehemaliges Stadtwappen von Burtscheid
Ehemaliges Stadtwappen von Burtscheid
Höhe: ca. 180 m ü. NN
Eingemeindung: 1. April 1897
Postleitzahl: 52066
Vorwahl: 0241
Karte
Karte
Lageplan Burtscheid und seine Thermalquellen

Namensherkunft


Der Name Burtscheid ist ein Kompositum, das verschiedene Deutungen zulässt. Zunächst bezeichnet das Grundwort ...scheid eine territoriale Grenze, eine Weg- oder Wasserscheide. Eine andere Deutung steht im Zusammenhang mit der Besiedlung. In der Zeit der großen Rodungen im 12./13. Jh. entstanden linksrheinisch zahlreiche Ansiedlungen mit der Silbe ...scheid im Namen. Das Wort wird verschieden ausgelegt: Es kann sinngemäß das für die Siedlung ausgeschiedene Land bedeuten oder aber der Name steht im Zusammenhang mit dem älteren keltischen/gallischen Wort keiton/cetum in der Bedeutung von Wald/Heide.

In früherer Schreibweise heißt Burtscheid borcetum – welches in seiner Bedeutung wahlweise als Wald am Bieberbach (= Beverbach), Wald am braunen Bach, Wald zur Schweinemast ausgelegt werden kann.[1][2]


Wappen


Das alte Stadtwappen von Burtscheid wurde aus dem Familienwappen der Äbtissin von Woestenrath entwickelt und die zwei doppelschwänzigen Löwen entstammen dem Jülicher Wappen. Im Einzelnen ist es wie folgt aufgebaut:

Blasonierung: In Schwarz, goldgerandet, ein goldenes 12-endiges Hirschgeweih, darin ein silberner Schwan. Der Schild, mit einer dreitürmigen silbernen Stadtmauer bekrönt (Hinweis auf ein Stadtwappen) und von zwei aufrechten, doppelschwänzigen goldenen Löwen gehalten, steht auf einem silbernen Band, das die Aufschrift Stadt Burtscheid trägt.

Als Burtscheid im Jahr 1816 den Verwaltungssitz des Kreises Aachen übernommen hatte, wurde das bisherige Schild mit den Geweihen und dem Schwan, aber ohne die Türme, die Löwen und das silberne Band, nun ergänzt mit einem darüber liegenden goldenen (gelben) Schildhaupt über dem alten Wappen, in welchem der schwarze Jülicher Löwe nach links schreitet gewählt. Es diente seit dieser Zeit als Wappen für den gesamten früheren Kreis Aachen und die heutige Städteregion Aachen.


Geschichte, allgemein


Bereits die Kelten siedelten sich in dieser Gegend entlang einer der damaligen Quellen der Wurm an und gaben dem Bach wahrscheinlich, als Ableitung des Wortes ‚warm‘, seinen heutigen Namen, da er durch den Einfluss der Thermalquellen relativ warmes Wasser führte, wobei diese Theorie der Namensgebung historisch nicht belegt ist. Diese Quelle weihten sie ihrem Gott Grannus. Als Nutzwasser verwendeten die Kelten eine etwas höher im nahen Stadtwald gelegene Quelle mit kühlem und klarem Wasser, die heute als die eigentliche Wurmquelle angesehen wird.

Statue für Gregor von Kalabrien neben der Kirche St. Michael
Statue für Gregor von Kalabrien neben der Kirche St. Michael
Das Burtscheider Tal bei Aachen, identifiziert von Hans Königs (1964),[3] vormals bekannt als Landschaft an der mittleren Maas, 1570
Das Burtscheider Tal bei Aachen, identifiziert von Hans Königs (1964),[3] vormals bekannt als Landschaft an der mittleren Maas, 1570

Später ließen sich hier die Römer nieder und nannten das Gebiet auf Grund des Wildschweinevorkommens Porcetum. Im Bereich des heutigen Burtscheider Marktes wurden römische Thermalanlagen und medizinisches Besteck aus der Römerzeit gefunden, was auf die Besiedlung als Kur- und Heilbad hinweist. Damit das wertvolle Trinkwasser aus dem Aachener Wald, das im Burtscheider Tal Richtung Aachen abfließt, nicht durch die salzigen Thermalwässer verunreinigt und somit für die Wasserversorgung unbrauchbar wird, haben die Römer im Bereich des Quellgebietes der Thermalquellen die Wurm großräumig verlegt. Der künstliche Wasserlauf des Kalten Baches verläuft am Hang des Heißberges und Adlerberges bis ins Frankenberger Viertel. Anschließend besiedelten germanisch-fränkische Stämme das Gebiet,[4] bevor später im 7. Jahrhundert zunächst die Arnulfinger unter Chlodulf hier eine Kapelle erbauen ließen und in der folgenden karolingischen Zeit Burtscheid vermutlich zu einem Nebenhof der Aachener Kaiserpfalz mit Viehwirtschaft umfunktioniert wurde.

Reichsabtei Burtscheid um 1790
Reichsabtei Burtscheid um 1790

Seine eigentliche Entstehung als Stadt verdankt Burtscheid schließlich dem Benediktinerkloster Burtscheid, welches gemäß einem Diplom Kaiser Ottos des III. vom 6. Februar des Jahres 1000 als kaiserliche Stiftung unter dem Basilianerabt Gregor von Burtscheid aus Kalabrien zu Ehren des heiligen Nikolaus von Myra und des Apollinaris von Ravenna gegründet wurde. Indizien und die meisten Quellen sprechen dabei eher dafür, dass das Jahr 997 das eigentliche Gründungsjahr war. Im Jahr 1220 wurde das Benediktinerkloster in ein reichsunmittelbares Zisterzienser-Frauenstift umgewandelt. Den Äbtissinnen des Klosters mit Sitz und Stimme in der Reichsversammlung oblag nun im Verlauf von rund 570 Jahren als Fürst-Äbtissinnen die Landeshoheit über Burtscheid. Zur Durchsetzung der Hoheitsrechte wurde ihnen jeweils ein Vogt zur Seite gestellt. Die Funktion des Vogtes übernahmen bis etwa zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Herren von Merode-Frankenberg, einer Nebenlinie des Hauses Merode mit Sitz auf der Burg Frankenberg.[5] Die Rechte des Obervogts oblagen dem Herzog von Limburg und ab 1288 dem Herzog von Brabant. 1649 konnten die Vogteirechte durch die Abtei selbst erworben werden, nachdem der letzte Erbvogt, Johann Dietrich von Merode-Frankenburg, 1645 verstorben und sein Sohn Franz Ignaz noch nicht mündig war. Daraufhin bezeichneten sich die Äbtissinnen fortan selbst als Erbvögte.

Bereits im Jahr 1351 war durch die Äbtissin Mechtildis von Bongard ein Vertrag mit der Freien Reichsstadt Aachen unterschrieben worden, in dem diese die Gerichtsrechte über die Herrlichkeit Burtscheid erhalten hatte und im Gegenzug zur Zusage der fortwährenden Aufrechterhaltung der abteilichen Freiheiten bereit war. Seitdem wurde die Burtscheider Stadtverwaltung von einem Meier, der von der Stadt Aachen bestellt wurde, und seinen Schöffen wahrgenommen. Im Einzelnen sind folgende Meier nachgewiesen:

Die Burtscheider Bäder nach Blondel, 1688
Die Burtscheider Bäder nach Blondel, 1688

Etwa ab dem Zeitraum des Erhalts der Stadtrechte markierte die Wurm die Grenze zwischen Burtscheid und der benachbarten Freien Reichsstadt Aachen sowie zwischen dem Bistum Lüttich und dem Erzbistum Köln. In der Zeit der Aachener Religionsunruhen flohen viele zum Protestantismus konvertierte Familien wie beispielsweise Pastor, Peltzer und Amya aus dem letztendlich katholisch dominierten Aachen und ließen sich unter anderem in Burtscheid nieder. Hier konnten sie ihre Religion relativ frei ausüben und auch in Ruhe ihrem Handwerk nachgehen. Besonders diese Familien, welche in Burtscheid Zuflucht gefunden hatten gründeten zahlreiche Mühlen, Hammerwerke, Färbereien, Schleifereien, Tuchmanufakturen und sonstige Fabriken und nutzten dabei das Wasser der Wurm und ihrer Zuläufe als Antriebskraft für ihre Mahlwerke.

Aachen-Burtscheider Pferdebahn
Aachen-Burtscheider Pferdebahn

Ab dem 30. Juni 1802 wurde Burtscheid Mairie und Hauptort des Kantons Burtscheid. In der sich ab 1815 anschließenden Preußenzeit wurde ein Jahr später der ehemalige Kanton Burtscheid mit dem bisherigen Kanton Eschweiler zum neuen Landkreis Aachen zusammengelegt und Burtscheid zum neuen Verwaltungssitz bestimmt. Diese Zusammenführung fand auch ihren Ausdruck in dem neuen Wappen, welches sich aus dem Burtscheider Wappen mit dem Schwan im Hirschgeweih und dem Jülicher Löwen des Eschweiler Wappens zusammensetzt. Die Stadt Burtscheid selbst, in der bereits etwa 11.000 Einwohner lebten, von denen circa 11 % evangelisch waren, wurde von einer Bürgermeisterei verwaltet. Von den amtierenden Bürgermeistern sind belegt und bekannt:

Die Kanalisation sowie die Gas- und Wasserleitungen waren im Verbund mit der Stadt Aachen angelegt worden. Zwischen den Städten verkehrte eine erste Pferdebahn und an den Stadtgrenzen zwischen Burtscheid und Aachen entstand 1841 der gemeinsam genutzte Aachener Hauptbahnhof. In Burtscheid florierte besonders der handwerkliche Mittelstand bestehend unter anderem aus Tuch-, Hirschleder- und Kaschmirfabriken, dann Streich- und Kammgarnspinnereien, mechanischen Webereien, Färbereien, einer Filztuchfabrik, Fabriken für Nadeln, Kratzen, Maschinen, Geldschränken und Chemikalien, einer Eisengießerei, Farbholzmühlen sowie einer Bierbrauerei und Branntweinbrennerei. Sie schlossen sich 1833 mit Aachen zur gemeinsamen Handelskammer für die Städte Aachen und Burtscheid, der späteren Industrie- und Handelskammer Aachen, zusammen.

Das Michaelsbad, eines von 5 Kurbädern in der Dammstrasse
Das Michaelsbad, eines von 5 Kurbädern in der Dammstrasse

Im gleichen Zeitraum erlebten die Kur- und Badeanlagen regen Zulauf, neue Kureinrichtungen wurden ebenso wie neue Krankenhäuser erbaut und Burtscheid entwickelte sich dank seiner heißen Quellen zu dem bis heute anerkannten Kurort vor allem für Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.

Schließlich wurde nach jahrelangen und zähen Verhandlungen am 28. Januar 1896, wenige Monate vor dem Amtsende des Aachener Oberbürgermeisters Ludwig Pelzer, der Vertrag über die Eingemeindung Burtscheids, welches mittlerweile sowohl wirtschaftlich als auch räumlich mit der Stadt Aachen zusammengewachsenen war, von der Stadtverwaltung und von der königlichen Staatsregierung beschlossen und genehmigt. Das daraus resultierende Gesetz wurde daraufhin am 24. Dezember 1896 von Pelzers Nachfolger, dem Oberbürgermeister Philipp Veltman, und dem seit 1873 amtierenden letzten Burtscheider Bürgermeister Karl Middeldorf unterzeichnet und vom König Wilhelm II. am 29. März 1897 gegengezeichnet. Burtscheid bildet eine der Gemarkungen Aachens. Mit der Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen durch das Aachen-Gesetz wurde Burtscheid 1972 dem Stadtbezirk Aachen-Mitte zugeordnet.


Chronologie der Geschichte Burtscheids


Rk. Kirche St. Johann-Baptist mit ehemaligem Abteigebäude
Rk. Kirche St. Johann-Baptist mit ehemaligem Abteigebäude

1016–1018, etwa 20 Jahre nach der Klostergründung, wurde die erste (romanische) Abteikirche fertiggestellt und als Benediktinerabtei unter das Patronat Johannes des Täufers gestellt. Nikolaus von Myra blieb zweiter Patron. Die heute an diesem Ort stehende Kirche trägt immer noch den Namen St. Johann-Baptist.

Am 21. Januar 1018 schenkte Kaiser Heinrich II. dem Kloster das umliegende Gebiet als Zehntbezirk und löste sie damit vom Pfalzbezirk Aachen ab.[6] Daraus entstand in der Folge die Herrlichkeit Burtscheid.

1040 übertrug Kaiser Heinrich III. den im Dorf Burtscheid lebenden Gläubigen, die bis dahin dem Pfarrsprengel des Aachener Marienstiftes angehörten, die Reichsabtei Burtscheid.

Nach 1100 wurde die Abtei von Siegburg aus reformiert und erlebte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts eine Blütezeit. Um 1190, unter Abt Arnold, wurden die Gebeine des Gründerabtes Gregor von Burtscheid feierlich zur Ehre der Altäre erhoben. Gregors Todestag, der 4. November 999, wurde bis zur Aufhebung der Abtei als Gedenktag begangen.

Rk. Kirche St. Michael
Rk. Kirche St. Michael

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde gleich neben der Abteikirche eine Pfarrkirche erbaut, welche auf den Namen St. Michael geweiht wurde.

Im Jahr 1220/21, unter Kaiser Friedrich II. und dem für Burtscheid zuständigen Erzbischof Engelbert I. von Köln, zugleich Kanzler des Heiligen Römischen Reiches, wurden die Benediktiner aus dem Kloster vertrieben. An ihrer Stelle zogen Zisterzienserinnen in die Gebäude ein, welche vorher, seit etwa 1200, auf dem Aachener Salvatorberg ansässig gewesen waren. An diese Nonnen wurden alle Besitztümer und Rechte des Klosters übertragen. Die Klosteraufsicht oblag zunächst der Abtei Heisterbach, ab dem 14. Jahrhundert der Abtei Himmerod und ab dem 16. Jahrhundert der Abtei Clairvaux bzw. der dieser untergeordneten Abtei Val Dieu (heute Belgien).

1248 wurden Aachen und Burtscheid durch den Grafen Wilhelm von Holland belagert. Hierbei trugen die Klostergebäude schwere Schäden davon. 1252 wurde zur Kompensation der Schäden die Pfarrkirche St. Michael der Abtei, die das Patronat über die „Leutkirche“ (seit dem 13. Jahrhundert aus lat. ecclesia plebis – Volkskirche, Leutkirche, Hauptkirche einer Pfarre, gleichbedeutend mit Pfarrkirche) bereits besessen hatte, die Inkorporation erteilt und damit die Erlaubnis den Großen Zehnt und den Fruchtzehnt einzuziehen. Der Status einer Rektoratskirche blieb St. Michael bis zur Säkularisation unter Napoleon I. erhalten.

Um 1300 schlossen sich erstmals die Burtscheider Tuchmacher in einer Zunft zusammen.

Burg Frankenberg
Burg Frankenberg

Im Jahr 1306 wurde die auf Burtscheider Territorium stehende Burg Frankenberg erstmals urkundlich erwähnt. Vermutlich wurde sie aber schon um 1270 von Ritter Arnold erbaut. Sie war bis etwa zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Sitz der Burtscheider Vögte.

Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die romanische Abteikirche abgebrochen und an ihrer Stelle eine dreischiffige gotische Kirche errichtet.

Am 23. Oktober 1351 übertrug die Abtei die Gerichtsbarkeit über Burtscheid an die Stadt Aachen, die sodann von einem Aachener Meier ausgeübt wurde.

Um 1634 wurde der Grundstein zu einem ersten protestantischen Gotteshaus an der Hauptstraße gelegt, welches aber nach nur 80 Jahren im Jahre 1714 auf kaiserliche Anordnung hin wieder abgerissen wurde.

Zwischen 1735 und 1754 wurde die Abteikirche St. Johann Baptist unter den Äbtissinnen von Renesse und von Woestenrath durch den Architekten Johann Joseph Couven neu erbaut. Zwischen 1748 und 1751 errichtete er auch die Pfarrkirche St. Michael neu, welche später 1891/92 durch den Architekten P. Peters erweitert wurde.

Zwischen 1753 und 1775 gab es Streitigkeiten zwischen der Reichsstadt Aachen und der Reichsabtei Burtscheid um neue Straßenführungen von und nach Burtscheid.

Trotz des Einspruchs des Aachener Rates wurde 1779 von der Äbtissin auf Krugenofen das Glücksspiel eingeführt. Deshalb heißt die Verlängerung der Straße Krugenofen heute Kasinostraße.

Im Dezember 1792 fand die erstmalige Besetzung Burtscheids durch französische Truppen statt. Die endgültige Besetzung erfolgte im September 1794 und dauerte bis 1814 an. Burtscheid wurde zum Kanton im Département de la Roer. Die Besatzer stellten einen Freiheitsbaum auf und zweckentfremdeten die Abteikirche als Versuchsanstalt zur Herstellung von Heißluftballons. Am 30. Juni 1802 wurde Burtscheid Mairie und Hauptort des Kantons Burtscheid. Im August desselben Jahres lösten die Franzosen den Klosterkonvent auf, vertrieben die Nonnen und säkularisierten den Klosterbesitz. Das Abteigebäude diente nun für Wohnungen, Schule und Verwaltung.

Am 1. März 1804 wurde St. Michael zur Kantonalpfarre mit 17 Hilfspfarren, und der Burtscheider Pfarrer erhielt den Titel Oberpfarrer. In diesem Jahr wurde auch die neue, reformierte Kirche an der Hauptstraße geweiht. Erst Ende des 19. Jahrhunderts erhielten die Burtscheider mit der 1899 eröffneten und eingeweihten Dreifaltigkeitskirche wieder eine evangelische Pfarrkirche.

Am 23. März 1816 wurde Burtscheid Hauptort des preußischen Kreises Aachen-Land, der aus dem ehemaligen französischen Kanton Burtscheid und dem Kanton Eschweiler gebildet wurde, und somit zum Sitz der Kreisverwaltung und des Landrates. Noch heute befindet sich in dem renovierten und erweiterten Gebäudekomplex der Sitz der Städteregion Aachen als Nachfolgeorganisation des ehemaligen Kreis Aachen.

Ehemaliges Rathaus
Ehemaliges Rathaus

Am 3. März 1823 wurde der Grundstein des Burtscheider Rathauses gelegt, welches bis vor kurzem das Haus des Gastes war und nun in das „Haus des Hörens“ umfunktioniert wurde (Architekt Ulich).

In den Jahren 1831/32, 1849 und 1866 kam es sowohl zu mehreren Choleraepidemien als auch im gleichen Zeitraum zu merkwürdigen Fällen von Wechselfieber, auch „Burtscheider Krankheit“ genannt. Aus diesem Grund wurde 1832 der Cholerafriedhof, der heutige Waldfriedhof, errichtet, welcher dann später zum Ehrenfriedhof für die Gefallenen der beiden Weltkriege ausgebaut wurde. Innerhalb dieses Areals ließen Aachener Bürger den 1907 eingeweihten Bismarckturm zu Gedenken an den „Eisernen Kanzler“ errichten.

Grundsteintafel Burtscheider Viadukt
Grundsteintafel Burtscheider Viadukt

1838–40 wurde der Burtscheider Viadukt erbaut und am 1. September die Eisenbahnstrecke Köln-Aachen-Belgien der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft, die über den Viadukt verläuft, eröffnet.

Das Gelände am Heißberg wurde am 23. Oktober 1851 von der Gemeinde zur Gründung eines neuen Stadtfriedhofs erworben. 1852 erfolgte der Beschluss eine Umfassungsmauer zu errichten, welche von den Bauunternehmern B. Klausener & Rhoen ausgeführt wurde.[7] 1862 wurde der Heißbergfriedhof für beide Konfessionen eröffnet und im Gegenzug die Kirchhöfe von St. Johann und St. Michael geschlossen. Auf dem Heißbergfriedhof errichtete man zusätzlich Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des Deutschen Krieges 1866 und des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71.

Am 1. April 1853 führte eine Bürgerinitiative der beiden katholischen Pfarren zur Gründung des Marienhospitals Aachen.

1874 erhielt die Aktiengesellschaft Frankenberg die Konzession zur Erschließung des Frankenberger Viertels rund um die Burg Frankenberg, die bis in den Ersten Weltkrieg hinein andauerte. Daraus resultierten zahlreiche Wohnhäuser, deren Fassaden während der Gründerzeit in einem historistischen Stil (Neoklassizismus, Neorenaissance, Neobarock, Neogotik oder Mischformen), danach in einem nichthistoristischen Phantasiestil oder den Formen des Jugendstils sowie schließlich in strengen Formen erstellt wurden. Allein im Bereich des Gebiets der Aktiengesellschaft Frankenberg sind derzeit mehr als 250 Baudenkmäler ausgewiesen.

1876 gründete sich der katholische Burtscheider Bürgerverein als Bürgerinitiative gegen die Kulturkampfgesetze Bismarcks.

Im Jahr 1895 wurde der auf Betreiben der Königlichen Eisenbahndirektion Köln angelegte Moltkebahnhof in Betrieb genommen, der, auf halber Strecke zwischen dem Burtscheider Viadukt und der Burg Frankenberg gelegen, als ausschließlicher Güterbahnhof dem gestiegenen Gütertransport Rechnung tragen sollte.[8] Nach 1986 wurde er stillgelegt und dient heute als Lagerfläche für ein Bauunternehmen und als Wildnispark.[9]

Blick von der noch unbebauten Viktoriaallee auf Herz Jesu (1911)
Blick von der noch unbebauten Viktoriaallee auf Herz Jesu (1911)

Am 27. September 1903 fand die Einweihung der neuen Marienkapelle Burtscheid statt, die auf dem Gelände einer alten hölzernen Kapelle aus dem Jahr 1644 als neuromanischer achteckiger Zentralbau, mit doppelgeschossigem Umgang und Treppentürmchen zu beiden Seiten des Eingangs erbaut worden war. Die alte Holzkapelle wurde 1693 durch einen ersten Steinbau ersetzt und in den Jahren 1811/12 erweitert.

Am 5. Juni 1910 wurde am Ende der Victoriaallee die Herz-Jesu-Kirche (umgangssprachlich: Frankenberger Dom[10]) nach zweijähriger Bauzeit als eine der wenigen neoromanischen Werksteinbasiliken im Erzbistum Köln nach Entwürfen von Josef Kleesattel errichtet. Das Mosaik über dem Altar zählt nach dem im Aachener Dom zu den größten im Bistum Aachen.

Ab 1943 befand sich im Ort ein Arbeitserziehungslager (AEL), in dem unter KZ-Bedingungen Arbeitskräfte von ansässigen Firmen zur Zwangsarbeit ausgebeutet wurden.

Am 11. April 1944 fand der schwerste Luftangriff auf Aachen während des Zweiten Weltkrieges mit Schwerpunkt auf Burtscheid statt. Innerhalb von 21 Minuten warfen dabei ca. 350 Flugzeuge 19 Minen, 4.047 Spreng-, 34.200 Brand- und 8.685 Phosphorbomben im gesamten Aachener Stadtgebiet ab und töteten dabei 1.525 Menschen. Auch ein Großteil von Burtscheid wurde dabei zerstört und die Kirchen St. Johann, St. Michael und Herz Jesu wurden stark beschädigt[11].


Kurwesen


Burtscheider Kurhaus, erbaut von Eduard Linse
Burtscheider Kurhaus, erbaut von Eduard Linse
Kurgarten Burtscheid um 1822
Kurgarten Burtscheid um 1822

Ein bedeutender Faktor Burtscheids sind seit den Zeiten der Kelten die Thermalquellen, von denen mehr als 25 mehr oder weniger ergiebige auf Burtscheider Territorium entspringen, darunter mit der Landesbadquelle die heißeste Therme Mitteleuropas mit annähernd 74 Grad. Die Austrittstemperatur des Wassers liegt bei den meisten Quellen zwischen 50 und 70 Grad. Es sind schwefelwasserstoffhaltige bzw. fluoridhaltige Natrium-Chlorid-Hydrogencarbonat-Thermen mit einem pH-Wert von 6,8 bis 7,2.

Diese werden vorzugsweise bei Erkrankungen des Rheumatischen Formenkreises, Gicht, Neuralgien, Lähmungen, Hautkrankheiten, Syphilis sowie zur Rehabilitation nach Operationen und Unfällen innerlich und als Bäder angewendet.

Darüber hinaus sorgen gepflegte Parkanlagen wie der Kurpark Burtscheid, der Ferberpark Burtscheid und der nahe Aachener Wald für ein angenehmes und eine Heilung förderndes Luftklima.

Im Bereich der Quellen wurden mehrere teilweise sehr mondäne Badehäuser errichtet, darunter das Goldmühlen- und Prinzenbad, das Neubad sowie die noch heute bestehende Kurklinik zur Rosenquelle, das Schwertbad und die Rheumaklinik, das ehemalige Landesbad der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz. Für diejenigen Patienten, die auf karitative Unterstützung angewiesen waren, wurde 1835 der Verein zur Unterstützung unbemittelter auswärtiger Brunnen- oder Badebedürftiger an den Mineralquellen zu Aachen und Burtscheid gegründet, der die Betreuung dieser Patienten ermöglichte. Dieser Verein ließ für seine Kurgäste das Krebsbad und das Michaelsbad erbauen.


Brunnen in Burtscheid


Marktbrunnen mit 63 °C heißem trinkbarem Thermalwasser
Marktbrunnen mit 63 °C heißem trinkbarem Thermalwasser

In der Tradition zum beliebten Wasser ließen die Burtscheider einige schmucke Brunnen errichten, von denen zwei aus Aachen nach Burtscheid verlagert und neu aufgebaut wurden. Einige der Burtscheider Brunnen führen Thermalwasser aus eigenen Quellen. Die bekanntesten Burtscheider Brunnen sind:


Bildungseinrichtungen


Von 1824 bis 1840 wurden verschiedene kommunale, Pfarr-, Sonntags- und Abendschulen in Burtscheid erbaut. Im Jahr 1862 kamen die evangelische Schule in der Kapitelstraße und die Schule Michaelsbergstraße hinzu. Auch einige bisher in der Stadt Aachen bestehende Schulen und einzelne Hochschulabteilungen verlagerten ihren Standort nach Burtscheid. Derzeit bestehen in Burtscheid neben fünf Grundschulen, zwei Sonderschulen, je einer Haupt- und Realschule, drei berufsorientierten Schulen unter anderem folgende Bildungseinrichtungen:


Verkehr


Die AVV-Buslinien 10, 11, 14, 21, 30, 31, 34, 36, 51, 54, 103 und SB63 der ASEAG verbinden Burtscheid mit Aachen-Mitte, nahezu allen weiteren Aachener Stadtteilen sowie mit Würselen, Eupen, Übach-Palenberg, Kerkrade, Herzogenrath und Simmerath. Zusätzlich verkehren in den Nächten vor Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen die Nachtexpresslinien N1 und N5.

Linie Betreiber Verlauf
10 ASEAG Siegel Burtscheid Beverau Forster Linde – Arlingtonstr. Brand
11 ASEAG Walheim Hasbach Walheim Nütheim Schleckheim Oberforstbach / Oberforstbach Gewerbegebiet Lichtenbusch – Waldfriedhof Burtscheid – Marienhospital Aachen Hbf – Misereor – Elisenbrunnen – Aachen Bushof Ludwig Forum – Talbot Haaren Würselen Kaninsberg Weiden Vorweiden Linden-Neusen – (Broich –) Broicher Siedlung Blumenrath – Montanstraße Mariadorf Hoengen
14 ASEAG / TEC Aachen Bushof – Elisenbrunnen – Misereor Aachen Hbf Burtscheid Hauptstr. – Diepenbenden – Linzenshäuschen Köpfchen Grenze(D)  – (Hauset (B) –) Eynatten (B) – (Raeren –) Kettenis Eupen (AVV-Tarif gilt nur im deutschen Streckenabschnitt)
21 ASEAG Lintert Friedhof Burtscheid Aachen Hbf – Misereor – Elisenbrunnen – Aachen Bushof Ludwig Forum – Talbot Haaren Würselen Morsbach Bardenberg – (Pley –) Niederbardenberg Herzogenrath Bf Ritzerfeld Merkstein Boscheln – Holthausen Übach Palenberg Palenberg Bf
30 ASEAG (Vaals (NL) Vaalserquartier (D) – Westfriedhof –) Ronheider Weg Burtscheid Beverau Forst Adenauerallee – Fringsgraben – Hüls – ASEAG – Prager Ring (– Haaren) – Eulershof (– Alter Tivoli – Ehrenmal/Lousberg – Ponttor Westbahnhof – Süsterau – Campus Melaten – Uniklinik)
31 ASEAG Siegel Burtscheid Aachen Hbf – Misereor – Elisenbrunnen – Aachen Bushof Ludwig Forum – Talbot Haaren Verlautenheide – Gewerbegebiet Aachener Kreuz
34 ASEAG (Kerkrade (NL) Pannesheide (D)) / Kohlscheid Bf Kohlscheid Weststr. – (Kohlscheid Markt – ) Rumpen Berensberg – Grüner Weg – Aachen Bushof – Elisenbrunnen – Theater – Normaluhr Burtscheid Hauptstr. – Diepenbenden
36 ASEAG Aachen Bushof – Kaiserplatz – Normaluhr – Marienhospital Burtscheid – Bismarckturm – (Waldfriedhof ←) Oberforstbach Gewerbegebiet – SCHUMAG Schleckheim
51 ASEAG Waldfriedhof Burtscheid Aachen Hbf – Elisenbrunnen – Aachen Bushof – STAWAG – Carolus Thermen Alter Tivoli Scherberg Würselen Schleibacher Hof Alsdorf-Annapark Neuweiler Oidtweiler – (Carl-Alexander-Park Baesweiler Reyplatz / Setterich)
54 ASEAG Diepenbenden Burtscheid Hauptstr. – Normaluhr – Theater – Elisenbrunnen – Aachen Bushof – Eurogress Soers Berensberg Rumpen Kohlscheid Markt Klinkheide Pannesheide Straß Herzogenrath Bf Herzogenrath Schulzentrum / Waldfriedhof / (Ritzerfeld Merkstein – Industriegebiet Boscheler Berg)
103 ASEAG Schnellbus:
Waldfriedhof Burtscheid Aachen Hbf Schanz – Westfriedhof – Uniklinik – Campus Melaten
SB63 ASEAG Schnellbus:
Aachen Bushof – Elisenbrunnen – Misereor Aachen Hbf – Marienhospital Burtscheid Oberforstbach Gewerbegebiet (– Rott) Roetgen Lammersdorf – (Paustenbach – Bickerath) / (Rollesbroich Strauch Am Roßbach) Simmerath
N1 ASEAG Nachtexpress: nur in den Nächten vor Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen
Elisenbrunnen → Aachen Bushof → Kaiserplatz → Josefskirche Bf Rothe Erde Forst Brand Kornelimünster Walheim Schleckheim Oberforstbach Burtscheid → Marienhospital → Theater → Elisenbrunnen
N5 ASEAG Nachtexpress: nur in den Nächten vor Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen
Aachen Bushof → Elisenbrunnen → Misereor Aachen Hbf → Marienhospital Burtscheid Lichtenbusch Oberforstbach Schleckheim Kornelimünster → Niederforstbach Brand Forst Bf Rothe Erde Frankenberger Viertel Aachen Hbf → Misereor → Elisenbrunnen

Sport


Der Burtscheider Turnverein hat seinen Stammsitz in der Sportanlage „auf Siegel“ und bietet mit seinen Abteilungen Turnen, Fußball, Tischtennis und Trendsportarten ein breites Sportangebot. Der Sportverein BTB Aachen hat seine Heimat in der Halle am Ludwig-Kuhnen-Stadion im Gillesbachtal und bietet ebenfalls verschiedene Angebote im Breitensport, wobei der Handball die dominierende Rolle im Verein einnimmt. Darüber hinaus beheimatet das Viertel die Fußballvereine Blau-Weiß Aachen, VfL 05 Aachen, den Burtscheider FC sowie den American Football Club Aachen Vampires 2005 e. V. Des Weiteren ist in Burtscheid der Pétanque-Verein Boule de Borcette e.V. zu Hause, der in der Bouleanlage im Ferberpark trainiert.


Söhne und Töchter



Persönlichkeiten, die in Burtscheid wirkten



Literatur




Commons: Aachen-Burtscheid – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Burtscheid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. [Cramer, F.: Rheinische Ortsnamen aus vorrömischer und römischer Zeit, Dr. Martin Sändig oHG, 1901, Nachdruck 1970]
  2. [Breuer, G.: AQUISGRANUM … von den warmen Wassern, Siedlungsnamen der Stadt Aachen, Shaker Verlag, Aachen 2003]
  3. Hans Königs: Burtscheid, die „Unbekannte Landschaft“ des Lukas van Valckenborch. In: Aachener Kunstblätter. Heft 29 1964: S. 178–192, Aachen
  4. Merowingerzeit Merowingerzeit. Stadt Aachen, abgerufen am 15. Januar 2012.
  5. Vogte von Burtscheid
  6. Urkunde Heinrichs II. vom 21. Januar 1018, ausgestellt in Frankfurt: Heinrich verleiht dem von Otto III. gegründeten Kloster Burtscheid zum Seelenheile seines Gründers die Novalländereien mit allen Rechten in einem um den Ort gelegenen Bezirk mit angegebenen Grenzen zu freiem Verfügungsrecht zum Nutzen des Klosters. RI II,4 n. 1919, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1018-01-21_1_0_2_4_1_767_1919 (Abgerufen am 23. Januar 2018).
  7. Der Oberstadtdirektor der Stadt Aachen. Baudezernat: Dokumentation über den Heißberg-Friedhof. Reprotechnik Gerd Gering, Aachen. S. 6.
  8. Moltkebahnhof Aachen-Burtscheid
  9. Wildnispark Moltkebahnhof (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oekologie-zentrum-aachen.de
  10. Niewenhuis, Silke: Bürgerhäuser & Villen in Aachen: Frankenberger Viertel, Bremen 2009, S. 27–28
  11. 10 Zentner Bombe in der Bendstraße weckt böse Erinnerungen – online-Beitrag des Aachener Geschichtsvereins



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