Bodenwerder ist eine Stadt im Landkreis Holzminden. Sie ist der Geburtsort und langjährige Wohnsitz des „Lügenbarons“ Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen und trägt deshalb seit dem 25. Oktober 2013 den amtlichen Namenszusatz „Münchhausenstadt“. Die Stadt ist zudem Sitz der Samtgemeinde Bodenwerder-Polle. Bis Ende 2010 hatte die Stadt den Status „Staatlich anerkannter Luftkurort“, seit 2011 „Staatlich anerkannter Erholungsort“.
In der Nähe des Klosters Kemnade entstand nach 960 n. Chr. auf einer Weserinsel gegenüber der Lennemündung eine Marktsiedlung mit Namen Insula (Werder, im ursprünglichen Sinne einer Insel in einem Fluss).
Im Jahre 1245 kaufte Ritter HeinrichII. von Homburg vom Kloster Corvey die Siedlung und gab ihr am 29. Januar 1287 die Stadtrechte. Erste Erwähnung von „consules“ erfolgte 1284. 1289 existierte bereits eine wichtige Brücke über die Weser, die eine Verbindung zwischen den damaligen Hauptverkehrswegen zwischen Hameln–Paderborn und Einbeck–Frankfurt am Main herstellte. Um 1340 entstand durch grundherrlichen Akt eines der Homburger Bodonen eine planmäßig erbaute Anlage mit Mauern und Türmen, daher die Ableitung zum heutigen Stadtnamen aus „Bodonis insula“, „Insel des Bodo“: „Bodenwerder“. Nach dem Aussterben der Homburger 1409 gehörte die Stadt zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, 1521 dann nach der Hildesheimer Stiftsfehde zum Fürstentum Calenberg unter Erich I.
Ab 1418 erwarb die Stadt umfangreichen Forstbesitz im Vogler. Im Jahre 1442 wurde die Familie von Hake mit Besitzanteilen in Bodenwerder belehnt, ihr Amts- oder Wohnhaus war vermutlich der heute Schulenburg genannte Freie Sattelhof. Zwischen 1460 und 1470 wurde die gotische Pfarrkirche St. Nikolai als dreischiffige Hallenkirche erbaut. Im Glockenturm befindet sich noch heute eine Glocke von 1471. In den Jahren 1542 und 1543 wurde die Reformation eingeführt. In der Kirche befindet sich ein Taufstein von 1608. In den Jahren 1899 und 1900 wurde im Süden der Kirche ein neuer Chorraum geschaffen, 1960/62 erfolgte eine einschneidende Umgestaltung des Kirchenraumes mit Inventarien.
Statius von Münchhausen (1555–1633), ein Sohn des zu großem Reichtum gekommenen Feldobristen und Söldnerführers Hilmar von Münchhausen (1512–1573), ließ das Herrenhaus erbauen. Er bewohnte jedoch vorwiegend die von ihm ebenfalls errichteten, bedeutenden Schlösser Bevern und Leitzkau. Einen Bodenwerder ähnlichen Amtssitz erbaute er in Bolzum.
Einer seiner Nachfahren war Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen, Offizier in russischen Diensten, der sich 1750 auf sein Gut in Bodenwerder zurückzog und dort Freunden seine phantasievoll ausgeschmückten Jagd- und Soldatenabenteuer erzählte, die gegen seinen ausdrücklichen Willen von Anderen, vor allem von Rudolf Erich Raspe, dann auch von Gottfried August Bürger, als „Lügengeschichten“ erweitert und veröffentlicht wurden. Von 1810 bis 1813 gehörte die Stadt mit dem Kanton Bodenwerder zum Distrikt Rinteln im Königreich Westphalen.
Im Jahre 1935 erwarb die Stadt das Herrenhaus des 1797 verstorbenen Barons Münchhausen und nutzt es bis heute als Rathaus. Sie integrierte ein zu besichtigendes Erinnerungszimmer für den berühmtesten Sohn der Stadt.
Bodenwerder gehörte zu dieser Zeit zum Kurfürstentum Hannover (ab 1814 Königreich Hannover). Mit der Annexion Hannovers 1866 kam auch die Stadt Bodenwerder zu Preußen. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 fielen zwei Männer, deren Andenken in einem Kriegerdenkmal gewahrt wird.
Im Jahr 1886 wurde eine jodhaltige Solequelle erbohrt.
Während der Industrialisierung siedelten sich Binnenschiffswerften (darunter die Arminiuswerft) und Baustoffindustrien (unter anderem ab 1946 die Vereinigten Baustoffwerke Bodenwerder, ab 1961 bekannt mit der Weltmarke Rigips) an.
Religionen
In Bodenwerder gibt es zwei evangelisch-lutherische Gemeinden (Pfarramt I und II) mit den Kirchen St. Nicolai und der Klosterkirche St. Marien in Kemnade. Weiter gibt es dort die römisch-katholische Pfarrei St. Maria Königin. Daneben existiert eine neuapostolische Kirchengemeinde. Außerdem gibt es eine freie evangelische Gemeinde mit dem Namen Generation Church – Kirche für alle Generationen.
Im Ortsteil Buchhagen befindet sich das kleine abgelegene, gebäudemäßig noch im Aufbau begriffene orthodoxe Dreifaltigkeitskloster. Es existiert seit Anfang der 1990er Jahre und ist das erste deutsche orthodoxe Kloster. Formal (kirchenrechtlich) untersteht es der Metropolie der bulgarisch-orthodoxen Diözese von West- und Mitteleuropa.
Evangelische Stadtkirche St. Nicolai
Ehem. Stiftskirche St. Marien Kemnade
Katholische Kirche Maria Königin
Orthodoxes Dreifaltigkeitskloster Buchhagen
Eingemeindungen
Am 1. Januar 1973 wurden die Gemeinden Buchhagen, Kemnade, Linse und Rühle eingegliedert.[2]
Einwohnerentwicklung
1860: 1300 Einwohner
1933: 1840 Einwohner
1961: 3235 Einwohner (am Tag der Volkszählung, dem 6. Juni; mit den später eingemeindeten Orten: 5761 Einwohner)[2]
1970: 3464 Einwohner (am Tag der Volkszählung, dem 27. Mai; mit den später eingemeindeten Orten: 5898 Einwohner)[2]
1973: 5967 Einwohner (am Tag der Eingemeindungen, dem 1. Januar)
1987: 6029 Einwohner (am Tag der Volkszählung, dem 25. Mai)
Der Gemeinderat, der die Gemeinde Bodenwerder vertritt, besteht aus 17 Mitgliedern. Aus dem Ergebnis der Kommunalwahl 2021 ergab sich folgende Sitzverteilung:[4]
Gemeinderat 2021
Insgesamt 17 Sitze
SPD: 8
FDP: 1
UWG: 1
CDU: 7
Gemeindebürgermeister
seit 2021 Friedrich-Wilhelm Dornette (SPD)
2016–2021 Friedrich Wilhelm Schmidt (CDU)
2012–2016 Elke Perdacher (SPD)
2009–2012 Friedrich-Wilhelm Schmidt (CDU)
2006–2008 Karl-Gerhard Sievers (SPD)
1996–2006 Hartmut Schüler (CDU)
1981–1996: Karl-Gerhard Sievers (SPD)
1957–?: Fritz Sagebiel (SPD)
1874–1885: A. Quentin
1867–1873: Cuno von Schulzen
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Museum
Münchhausenmuseum in der Schulenburg
Bauwerke
Schloss Münchhausen, früheres Herrenhaus des Gutshofes der Familie von Münchhausen und Geburtshaus des als Lügenbaron bekannt gewordenen Hieronymus von Münchhausen
Schulenburg, ein steinerner Wohnturm aus der Zeit um 1300 auf dem Gutshof der Familie von Münchhausen
Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung (Bastion und Torturm)
Romanische Klosterkirche St. Marien im Ortsteil Kemnade
Wehrkapelle gegenüber der Klosterkirche
Kapelle St. Gertrudis (Galerie Corvinus)
Stadtkirche St. Nicolai
Bismarckturm, ein 13m hoher denkmalgeschützter[5] Aussichtsturm auf dem Eckberg (errichtet 1913, eingeweiht am 21.September 1913)[6]
Regelmäßige Veranstaltungen
Kirschblütenfest in der Rühler Schweiz (April)
Verleihung des Münchhausen-Preises (September)
Münchhausen-Spiel am Rathaus (jeden ersten Sonntag von Mai bis Oktober)
Münchhausen-Musical (jeden zweiten und vierten Sonntag von Mai bis September)
Lichterfest an der Weser mit dem größten Höhenfeuerwerk Norddeutschlands (zweiter Samstag im August)
Schlossparkbeleuchtung im Hehlener Schloss (alle zwei Jahre im August)
StadtSpieleFest an der Promenade (dritter Sonntag im August)
Tag des offenen Denkmals (September)
Adventskonzert der Chöre in der Klosterkirche Kemnade (Dezember)
Sterntalermarkt (Dezember)
Kulturzentrum KulturMühle
Ausflugsziele
Sommerrodelbahn Bodenwerder (inkl. Minigolf und Billardgolf)
Hallenbad an der Oberschule Bodenwerder
Anleger der Weserflotte
Weserpromenade
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Straßenverkehr
Bodenwerder liegt an den Bundesstraßen 83 und 240 und an der Landesstraße 587 sowie am Weserradweg.
Schienenverkehr
Am 9. Oktober 1900 wurde die Bahnstrecke Vorwohle–Bodenwerder–Emmerthal mit den Bahnhöfen Buchhagen, Bodenwerder-Linse und Bodenwerder-Kemnade eröffnet. Seit 1982 ist der Personenverkehr eingestellt, der Güterverkehr seit 2000.
Unternehmen
Niederlassung der Saint-Gobain Rigips GmbH
Öffentliche Einrichtungen
Wertstoffsammelplatz der Abfallwirtschaft des Landkreises Holzminden in Kemnade (seit 1991)
Die Freiwillige Feuerwehr Bodenwerder sorgt für den Brandschutz und die allgemeine Hilfe.
Bildung
städtischer Kindergarten
evangelischer Kindergarten
Grundschule Bodenwerder
Oberschule Bodenwerder
Münchhausenschule – Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen
Persönlichkeiten
Ehrenbürger
Louis Adolf Heinrich Knopf (1832–1919), Arzt und Geheimer Sanitätsrat
Söhne und Töchter der Stadt
Johann Bernhard Friese (1643–1726), Rechtswissenschaftler
Christian Heinrich Behm (1662–1740), Konsistorialrat, Abt im Kloster Amelungsborn
Karl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen (1720–1797), bekannt als Baron Münchhausen, der durch seine Lügengeschichten, z.B. den Ritt auf der Kanonenkugel, berühmt wurde
Julius Scharlach (1842–1908), Rechtsanwalt und Kolonialunternehmer
Johannes Körting (1856–1952), Ingenieur
Hermann August von Münchhausen (1856–1922), Gutsbesitzer und Pferdezüchter
Wilhelm Beye (1881–1960), Landwirt, Politiker (DVP), Mitglied des Braunschweigischen Landtages 1927–1930
Ernst Katzenstein (1897–1989), Rechtsanwalt
Erich Hansmann (1920–1989), deutscher Politiker (SPD), Mitglied des Niedersächsischen Landtages 1959–1965
Willi Waike (* 1938), deutscher Politiker (SPD), Mitglied des Niedersächsischen Landtages 1982–1994, niedersächsischer Finanzminister 1996–1998
Friedrich Buttler (* 1941), Ökonom
Jonatan Briel (1942–1988), Filmregisseur und Drehbuchautor, gründete 1962 das Jugendfilmstudio Holzminden
Wolfgang-Uwe Friedrich (* 1952), Präsident der Universität Hildesheim
Weitere Persönlichkeiten, die mit der Stadt in Verbindung stehen
Jacobine von Dunten (1726–1790), Ehefrau des Baron Münchhausen
Werner Lämmerhirt (1949–2016), Gitarrist; lebte zuletzt und starb in Bodenwerder
Oliver Sauerland (* 1974), wuchs in Bodenwerder auf, Inhaber eines Plattenlabels in Hannover
Literatur
Martin Zeiller:Bodenwerder. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Ducatus Brunswick et Lüneburg (=Topographia Germaniae. Band15). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1654, S.56–58 (Volltext[Wikisource]).
Hermann Braun: Die Kunstdenkmäler der Stadt Bodenwerder und der Gemeinde Pegestorf im Regierungsbezirk Hildesheim (= Die Kunstdenkmale des Landes Niedersachsen. Band 36). Niedersächsisches Landesverwaltungsamt Hannover. Hannover 1976.
Ludwig Bode: Bodenwerder in alten Ansichten. Zaltbommel 1991.
Sonstiges
Die Landschaft um Bodenwerder ist Schauplatz von Wilhelm Raabes Roman Alte Nester von 1881.
Statistisches Bundesamt (Hrsg.):Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S.123.
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