Luftbild von Muschenheim (2020)Großgasse, Blick nach Norden
Geographie
Muschenheim liegt rund vier Kilometer südlich der Kernstadt Lich am linken, östlichen Ufer der Wetter in der nördlichen Wetterau. Die nördliche Gemarkungsgrenze und der Ortsrand grenzen an das Umfeld von Kloster Arnsburg. Die Gemarkungsfläche beträgt 781 Hektar, davon sind 110 Hektar bewaldet (Stand: 1961). Es gibt zwei Waldflächen, den kleineren Vorderwald mit etlichen Hügelgräbern auf einer bis 175 Meter ansteigenden Anhöhe und den größeren Hinterwald, der sich jenseits der südlichen Gemarkungsgrenze weiter fortsetzt und mit dem 199 Meter hohen Wetterbergskopf die höchste Erhebung der Gemarkung aufweist. Am nicht bewaldeten Nordhang des Wetterbergkopfes liegt das Megalithgrab Heiliger Stein. Am Südrand von Muschenheim liegt der Burgstall Muschenheim, eine abgegangene Wasserburg von der fast nichts mehr zu sehen ist, da das Burggelände größtenteils überbaut wurde.
Geschichte
Hessengasse 13, ältestes Haus des Stadtteils
Überblick
Das Bestehen des Ortes als villa Musgenheim lässt sich bis zum Jahr 774 durch eine Erwähnung im Lorscher Codex urkundlich zurückverfolgen. Frühere Besiedlungen lassen sich aus dem 4000–5000 Jahre alten Megalithgrab „Heiliger Stein“ ableiten. Die Muschenheimer Pfarrkirche wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts erbaut.
In Muschenheim gab es seit 1575 eine Schule. Hierhin kamen auch Schüler aus den Nachbarorten, wovon der „Schülerpfad“ nach Bettenhausen kündet. Bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein wirkten studierte Theologen hier als Lehrer.
Die Reformation in Muschenheim wurde von Graf Konrad zu Solms 1582 mit der Einführung des reformierten Bekenntnisses „vollendet“. Der Altar in der Kirche wurde durch einen Tisch für die Abendmahlsfeier ersetzt. Trotz der Einführung des reformierten statt des vorherigen lutherischen Bekenntnisses konnten fast alle Pfarrer in der Grafschaft in ihren Gemeinden bleiben. Pfarrer Hermann Pistorius war ab 1576 Pfarrer in Muschenheim; seine Tochter Sibylle heiratete 1597 den reformierten Pfarrer Anton Praetorius, Kämpfer gegen Hexenprozesse und Folter.
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Muschenheim zum 31. Dezember 1970 auf freiwilliger Basis in die Stadt Lich eingegliedert.[3][4] Für Muschenheim wurde, wie für alle Stadtteile von Lich, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[5]
Staats- und Verwaltungsgeschichte
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Staaten, in denen Muschenheim lag, sowie deren Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][6][7]
vor 1742: Heiliges Römisches Reich, Grafschaft Solms-Braunfels (Anteil an der Herrschaft Münzenberg), Amt Hungen
ab 1742: Heiliges Römisches Reich, Fürstentum Solms-Braunfels (Anteil an der Herrschaft Münzenberg), Amt Hungen
ab 1806: Großherzogtum Hessen, Fürstentum Oberhessen, Amt Hungen (des Fürsten Solms-Braunfels)[8]
ab 1815: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Hungen (des Fürsten Solms-Braunfels)[9]
ab 1820: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Amt Hungen[Anm. 1]
ab 1822: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Hungen[10][Anm. 2]
ab 1841: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Hungen
ab 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Friedberg
ab 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Nidda
ab 1867: Norddeutscher Bund, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Nidda
ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Nidda
ab 1874: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Oberhessen (ab 1815 Provinz Oberhessen) wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Muschenheim ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Braunfels“ in Hungen zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Braunfels ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Hungen“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Muschenheim zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde verzichtete der Fürst 1823.[11] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[12] Durch die Neuordnung der Gerichtsbezirke in der Provinz Oberhessen mit Wirkung vom 15. Oktober 1853 wurde Muschenheim dem Landgericht Lich zugelegt.[13]
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglichen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lich“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[14]
Am 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Lich aufgelöst und Muschenheim dem Amtsgericht Gießen zugeteilt.[15]
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Muschenheim 939 Einwohner. Darunter waren 24 (2,6%) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 168 Einwohner unter 18 Jahren, 375 zwischen 18 und 49, 195 zwischen 50 und 64 und 201 Einwohner waren älter.[16] Die Einwohner lebten in 381 Haushalten. Davon waren 93 Singlehaushalte, 102 Paare ohne Kinder und 129 Paare mit Kindern, sowie 46 Alleinerziehende und 12 Wohngemeinschaften. In 75 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 243 Haushaltungen lebten keine Senioren.[16]
Einwohnerentwicklung
Muschenheim: Einwohnerzahlen von 1830 bis 2019
Jahr
Einwohner
1830
519
1834
575
1840
580
1846
627
1852
630
1858
603
1864
666
1871
691
1875
702
1885
654
1895
655
1905
691
1910
732
1925
702
1939
651
1946
1.183
1950
1.015
1956
879
1961
874
1967
966
1970
929
1980
?
1988
966
2000
?
2008
939
2011
939
2015
967
2019
948
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt,1968. Weitere Quellen: [1]; 1970:[17]; 1988–2008:[18]; nach 2011: Stadt Lich[19][20]; Zensus 2011[16]
Historische Erwerbstätigkeit
Im Jahr 1961 wurden die folgenden Erwerbspersonen gezählt: 214 in Land- und Forstwirtschaft; 187 im produzierenden Gewerbe; 35 in Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung; 30 im Dienstleistungsbereich oder sonstigen Gewerbe.[1]
Religion
Südwestseite der evangelischen Kirche Muschenheim
Die zu Beginn des 13. Jahrhunderts erbaute Kirche erhebt sich am Kirchberg im Osten hoch über das Dorf und ist von weither zu sehen. Das alte Pfarrhaus steht mitten im Dorf an einem großen Platz an der Hauptstrasse, ca. 300m von der Kirche entfernt. Es war bis zum Verkauf im Jahr 1990 Wohnsitz der reformierten Pfarrer. Der Pfarrer bewohnt seitdem einen Neubau am Ortsrand.
Die Pfarrgemeinde Muschenheim gehört der Propstei Oberhessen in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an.
Historische Religionszugehörigkeit
•1830:
487 evangelische, 23 katholische und 9 jüdische Einwohner[1]
Am 30. April 1964 wurde der Gemeinde Muschenheim im Landkreis Gießen ein Wappen mit folgender Blasonierung verliehen: Auf goldenem damaszierten Schild in blauem Schrägrechtsbalken ein goldenes archaisches Schwert mit Ortband.[21]
Bedeutung
Das Schwert im Wappen bezieht sich auf Funde von prähistorischen Bestattungsplätzen u. a. dem „Heiligen Stein“ und einem Grab mit einem „goldenen Schwert“.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
→ Hauptartikel: Abschnitt „Muschenheim“ in der Liste der Kulturdenkmäler in Lich
Kulturhistorischer Wanderweg Muschenheim
Die Stadt Lich hat den Kulturhistorischer Wanderweg Muschenheim mit 4 Routen ausgewiesen. Die Strecken führen u.a. an dem römischen Kastell Arnsburg-Alteburg, Hügelgräbern und dem Megalithgrab Heiliger Stein vorbei. Auf der Internetseite der Stadt werden entsprechenden Flyer angeboten.[22]
Für den Überörtlichen Verkehr wird Muschenheim durch die Landesstraße L3131 erschlossen, die bei Kloster Arnsburg von der Landesstraße L 3053 (ehm. Bundesstraße 488) abzweigt und jenseits der Wetter am Ort vorbeiführt. Von der L3131 zweigt die Kreisstraße K167 als Brückgasse ab und führt über die Wetter von Süden in den Ort. Am Alten Rathausplatz biegt die K167 als Hessengasse nach Osten ab in Richtung Bettenhausen, während die K166 geradeaus weiter über Birklar zur Bundesstraße 457 und zur Kernstadt von Lich führt. In der Schulstraße zweigt eine weitere Kreisstraße ab, die K165 als Klosterweg nach Kloster Arnsburg.
Südlich von Muschenheim liegt in Flussnähe eine Kläranlage am tiefstgelegenen Punkt des Stadtgebietes von Lich.
Persönlichkeiten
Charlie Becker (1887–1968), deutsch-amerikanischer Schauspieler
Max Brückel, Paul Görlich, Muschenheim. In: Licher Heimatbuch. Die Kernstadt und ihre Stadtteile. Bearbeitet von Paul Görlich, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Lich 1989.
Literatur über Muschenheimnach Registernach GND In: Hessische Bibliographie
Muschenheim, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Anmerkungen und Einzelnachweise
Anmerkungen
Patrimonialgericht: Standesherrliches Amt Hungen des Fürsten Solms-Braunfels.
Trennung zwischen Justiz (Landgericht Hungen; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Hungen“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung.
Einzelnachweise
Muschenheim, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16.Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Steckbrief Lich.In:Webauftritt.Stadt Lich,abgerufen im Oktober 2020.
Eingliederung von Gemeinden in die Stadt Lich, Landkreis Gießen vom 6.Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr.4, S.141, Punkt 174 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 6,3MB]).
Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel:Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, DNB770396321, OCLC180532844, S.303.
Hauptsatzung.(PDF;95kB)§4.In:Webauftritt.Stadt Lich,abgerufen im August 2020.
Michael Rademacher:Land Hessen.Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006.In:treemagic.org.Abgerufen am 1.Januar 1900
Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.):Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band13. G. Jonghause's Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, DNB013163434, OCLC162730471, S.12ff. (google books).
Wilhelm von der Nahmer:Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins: vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC165696316, S.21,438 (Online bei google books).
Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band22. Weimar 1821, S.424 (online bei Google Books).
Georg W. Wagner:Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S.135 (online bei Google Books).
Theodor Hartleben (Hrsg.):Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Band 2, Teil 1. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S.271 (online bei Google Books).
Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7.August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): GroßherzoglichHessisches Regierungsblatt. 1848 Nr.40, S.237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 42,9MB]).
Bekanntmachung vom 15. April 1853, betreffend: 1) die Aufhebung der Landgerichte Großkarben und Rödelheim, und die Errichtung neuer Landgerichte zu Darmstadt, Waldmichelbach, Vilbel und Altenstadt, ferner die Verlegung des Landgerichtssitzes von Altenschlirf nach Herbstein; 2) die künftige Zusammensetzung der Stadt- und Landgerichts-Bezirke in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen. (Hess. Reg.Bl. S. 221–230)
Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14.Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): GroßherzoglichHessisches Regierungsblatt. 1879 Nr.15, S.197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 17,8MB]).
Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11.April 1934. In: Der Hessische Staatsminister (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1934 Nr.10, S.63 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 13,6MB]).
Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S.364.
Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Muschenheim, Landkreis Gießen, Regierungsbezirk Darmstadt vom 30.April 1964. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1964 Nr.20, S.628, Punkt 555 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 4,3MB]).
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