Bellevue, bis 2018 Askren Manor (Ortsangabe: in Bellevue) ist ein Stadtviertel und Ortsteil in der kreisfreien Stadt Schweinfurt im Stadtteil Musikerviertel.
Bellevue Stadtviertel in Schweinfurt 50.05266710.193955236 | |
---|---|
Höhe: | 236 m |
Fläche: | 32 ha[1] |
Postleitzahl: | 97424 |
Vorwahl: | 09721 |
![]() Fabrikantenvilla von 1790 Wahrzeichen der Bellevue: Fabrikantenvilla von 1790 |
2018 wurde die Ortsbezeichnung des kleinen Ortsteils Bellevue (bis 1900 auch: Schussermühle; Ortsangabe bis 2018: an der Bellevue) durch Stadtratsbeschluss auf die südlich gelegene, einstige amerikanische Wohnsiedlung (Housing Area) Askren Manor ausgedehnt. Diese war seit Auflösung der US-Heeresgarnison Schweinfurt im Jahre 2014 unbewohnt.[2] Im Rahmen der US-Konversion in Schweinfurt wird hier seit 2016 ein neuer "Stadtteil" aufgebaut, der vorwiegend dem Wohnen dient.
Im Ortsteil befindet sich die Wüstung der ältesten Schweinfurter Siedlung Affeltrach, die vermutlich noch aus vorchristlicher Zeit stammt.
Bellevue liegt am westlichen Rand des Schweinfurter Stadtgebietes. Im Norden tangiert eine große Ausfallstraße, die Niederwerrner Straße den Ortsteil. Im Nordosten grenzen das Willy-Sachs-Stadion und weitere weitläufige Sportstätten an.
Am 20. März 2018 erhielt auf Beschluss des Schweinfurter Stadtrates die ehemalige US-Wohnsiedlung Askren Manor den Namen Bellevue. Somit wird der Ortsteil nun wie folgt begrenzt: im Nordwesten von der Euerbacher Straße, im Nordosten von der Niederwerrner Straße, im Osten vom John-F-Kennedy-Ring, im Süden von der Geschwister-Scholl-Straße mit dem Schulzentrum West und im Westen von Kleingärten mit Schwarzbauten aus der frühen Nachkriegszeit entlang der Wern.[3] Wobei auch noch der kleine, nördliche Bereich zwischen Euerbacher Straße und DJK-Sportanlgen, also der namensgebende, historische Ortsteil Bellevue, mit dem einstigen US-amerikanischen Bellevue-Center, zum neuen Ortsteil zu zählen ist, mit dann insgesamt 32 ha Fläche.
„Die historische Bezeichnung ‚Bellevue‘ (schöne Aussicht) bezog sich auf den begrenzten Bereich des Weilers zwischen der Euerbacher Straße, Josef-Reuß-Straße und der DJK Schweinfurt. Der Name ‚Bellevue‘ entstand um 1830 durch Friedrich Wilhelm Wolff, der in diesem Bereich an der Wern, eine Mühle zur Herstellung von Farben betrieb. Auf der Anhöhe oberhalb der Mühle, mit Blick über das Werntal, errichtete er ein Wirtschaftslokal, die ‚Belle Vue‘. Das Lokal war in der Biedermeierzeit ein beliebtes Ausflugslokal. Das Gebäude ist teilweise noch erhalten und steht unter Denkmalschutz.“[4]
Die Wüstungen Affeltrach, vermutlich aus vorchristlicher Zeit und Hilpersdorf sind auf dem Gebiet des heutigen Ortsteils zu finden. Hilpersdorf wurde während des Dreißigjährigen Krieges verlassen und die Bewohner zogen nach Schweinfurt. Zu diesem Zeitpunkt war Affeltrach bereits lange verlassen. Der Ort wurde wahrscheinlich bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgegeben. Heute werden die untertägigen Überreste von Hilpersdorf als Bodendenkmal eingeordnet.[5]
Im Jahr 1791 entstand an der Wern eine neue Mühle, die sogenannte Schussermühle. Bauherr war der Kaufmann Johann Georg Gademann. Die Mühle wurde zunächst als Schleifmühle betrieben und war noch 1900 unter dem Namen Schussermühle bekannt. Allerdings wechselte der Besitzer der Mühle bereits im Jahr 1803. Damals erwarben die Gebrüder Fichtel das Anwesen und erweiterten die Anlage um einen sogenannten Lohgang.
Mit dem Jahr 1812 erhielt die Mühle eine vollständig neue Nutzung. Damals wurde die Mühle eine klassische Getreidemühle. In der Folgezeit kam es zu häufigen Besitzerwechseln. Die voranschreitende Mechanisierung führte um 1830 zur Einrichtung einer Buntfarbenmanufaktur in der Mühle. Der damalige Besitzer Friedrich Wilhelm Wolff verlagerte seinen Wohnsitz oberhalb des Betriebes und ließ hier eine Villa errichten.
Wolff setzte auch die Umbenennung der Anlage durch. Fortan nannte man den Hof und die umgebenden Anwesen Bellevue oder Schönbusch, wegen der schönen Aussicht auf das Werntal. Die Mühle erfuhr in dieser Zeit wieder häufigere Nutzungswechsel. Im Jahr 1859 richtete man in ihr eine Ultramarinfabrik ein, später wurde sie wiederum Getreidemühle. 1871 bestand in der ehemaligen Schussermühle eine Papierfabrik, ehe hier 1900 eine Konservenfabrik einzog. 1955 wurden wiederum Buntfarben hergestellt.[6]
Bis 2014 befand sich auf dem Gebiet des heutigen Ortsteils Bellevue die Wohnsiedlung (Family Housing) Askren Manor der US-Heeresgarnison Schweinfurt. Die Siedlung wurde nach einem amerikanischen Offizier benannt, der bei einem Manöver-Unfall am Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der frühen Nachkriegszeit ums Leben kam.
Die Siedlung wurde von 1953[7] bis 1957 errichtet und die Infrastruktur bis 1979[7] durch zusätzliche Bauten ergänzt. Im September 2014 wurde die Schweinfurter US-Garnison komplett aufgelöst. Askren Manor stand seitdem leer und wurde in damaliger Form nie mehr bewohnt.
Auf 28 ha[7] befanden sich beim Abzug der US-Army 2014 insgesamt 77 Gebäude,[8]. Darunter 34,[9] meist relativ lange Wohnblocks in Zeilenbauweise (Bau 510 – 543) mit drei Vollgeschossen und ausgebauten Dachgeschossen. Die Wohnungen besitzen, bzw. besaßen, amerikanische, offene Grundrisse, mit Wohnzimmern, die von einer Hausseite zur anderen durchlaufen. Im Süden, an der Jackson Street, sind 26[9] zweigeschossige Doppelhaushälften (Bau 545 – 558, ohne Bau 557), die im neuen Stadtteil Bellevue vollständig erhalten bleiben. Insgesamt besaß das Viertel bei Abzug der Amerikaner 639[7] Wohnungen und bot Platz für ca. 2.000 Einwohner.
Im Norden, an der Niederwerrner Straße, lag das Versorgungszentrum Askren Manors, mit heute (2018) noch vorhandenen aber nicht genutzten Einrichtungen: Schulzentrum, Kindergarten und Turnhalle.[8] Ein Einkaufszentrum und eine Tankstelle wurden vom Army & Air Force Exchange Service (AAFES) betrieben (siehe: Ledward Barracks#Zentrum für 12.000 Amerikaner).
Das Baumviertel, in dem die Straßen englische Namen von Bäumen trugen, war in viel Grün eingebettet, mit zum Schluss sehr großem Baumbestand. Weshalb die von außen und auf Plänen langweilig erscheinende Neubausiedlung aus den 1950er Jahren auch entsprechend in der Allgemeinheit und in öffentlichen Diskussionen zur US-Konversion wahrgenommen wurde. Doch von innen bot sie zuletzt einen unerwartet großzügigen, parkartigen Eindruck.
Wegen des 2012 angekündigten kompletten Abzugs der US-Army aus Schweinfurt im Jahre 2014 wurden zur Konversion von Askren Manor bereits 2012 erste Überlegungen angestellt. Am 29. Februar 2016 unterzeichnete die Stadt Schweinfurt den Kaufvertrag und erwarb von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) Askren Manor zusammen mit anderen ehemaligen US-Arealen.[7] Die Planungen des Bundes, das Viertel mit Flüchtlingen aus Syrien zu belegen, wurden in Folge einer Unterredung der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber mit dem zuständigen Minister und Bundeskanzlerin Angela Merkel abgewendet.[10]
Der Siegerentwurf eines städtebaulichen Wettbewerbs für die Nachnutzung von Askren Manor vom Architekturbüro BS+ aus Frankfurt a. M. sieht vor, zwei Drittel der Wohnblocks abzureißen:
Auf der Grundlage des Siegerentwurfs wurde mit einigen Abänderungen ein Rahmenplan für Askren Manor für die Vermarktung des Viertels erstellt.[12]
Das Sanierungsgebiet für den neuen Stadtteil umfasst 14,2 ha.[13] Auf ihm sollen insgesamt 650 Wohneinheiten entstehen,[14] nahezu genauso viele wie Askren Manor mit 697 Wohnungen besaß.
2016 beschloss der Stadtrat, in sechs bestehenden Gebäuden mit jeweils 18 Wohnungen 100 Sozialwohnungen entstehen zu lassen. Eine Fürther Unternehmensgruppe kaufte die sechs Gebäude und sanierte sie.[15] Die beiden ersten neu errichteten Wohnensembles Living@Askren und Living@Manor mit zusammen 105 Eigentumswohnungen erinnern an den ursprünglichen Namen des Ortsteils.[16] 2020 begann am John-F-Kennedy-Ring der Bau des neuen Quartier-Eingangs um den Amerikaplatz, mit acht Gebäuden und 121 Wohnungen.[17]
Eine neue dreizügige Grundschule mit Ganztagsbetreuung soll 2022 fertiggestellt werden, die neue Körnerschule. Dazu kommen eine Kindertagesstätte mit Hort und eine Zwei-Feld-Sporthalle.[14]
Die Planungen der Stadt, viele Wohnblocks abzureißen, die nach Angabe der BImA 2004 aufwendig saniert wurden,[18] stießen auf große Kritik. Im Februar 2014 ließ die Stadt Schweinfurt verlauten, alle Wohnblocks abzureißen, was die Opposition im von der CSU dominierten Stadtrat heftig kritisierte und die SPD für die Stadtratssitzung am 25. Februar 2014 einen Dringlichkeitsantrag verfasste.[19] Auch der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs, der vorsieht, zwei Drittel der Wohnblocks abzubrechen, wurde kritisiert. Auch trage er eine Widersprüchlichkeit in sich, mit dem Abbruch eines Großteils der Wohnblocks „für ein nachhaltiges Wohnquartier“.
Zudem gäbe es unnötige Umweltbelastungen durch Abbruch und Neubau. Außerdem würden durch den langen Leerstand Wohnblocks Schaden nehmen und ein schnellerer Einwohnerzuwachs, mit seinen positiven Folgen, würde verhindert.[21]