Nieder-Roden liegt an der Rodau in der Rhein-Main-Ebene, ca. 8,5 Kilometer südwestlich von Seligenstadt.
Geschichte
Frühgeschichte
Befunde belegen, dass Nieder-Roden bereits in urgeschichtlicher Zeit Siedlungsraum war.
Mittelalter
Im Mittelalter gehörten die umliegenden Wälder zum Wildbann Dreieich, der 30 Wildhuben hatte, eine davon war in Nieder-Roden. Die älteste erhaltene Erwähnung einer Rotaha Marca, also eine Gemarkung oder eine Markgenossenschaft Roden, stammt aus dem Jahr 786, als das Kloster Rotaha dem Kloster Lorsch geschenkt wurde.[3] Wo genau das Kloster Rotaha lag, ist bis heute nicht bekannt. 791 wurde Nieder-Roden als Rotaha inferior ausdrücklich in einer Urkunde erwähnt.[4] Damals schenkte der fränkische Adlige Erlulf seinen dortigen Besitz, den in Ober-Roden (rotahen superiore) und den in Bieber dem Kloster Lorsch. 1210/1220 schenkte Gerlind dem Kloster Patershausen zwei Malter Acker in Nieder-Roden.
Der Ort war als Mittelpunkt einer Zent und Sitz eines Zentgerichts von großer Bedeutung. Das Dorf hatte deshalb eine Befestigung. Der Bezirk des Zentgerichts umfasste Nieder- und Ober-Roden, Dudenhofen, Jügesheim, Messel, Urberach, Dietzenbach, Hainhausen, Messenhausen, Patershausen, Richolfshausen, Ippingshausen, Hartcheshofen und Neuhof.
Nieder-Roden lag im Amt Steinheim, das zunächst den Herren von Hagen-Münzenberg gehörte. Durch die Münzenberger Erbschaft kam es an die Herren von Eppstein. Diese verpfändeten das Amt ab 1371 als Pfand je zur Hälfte den Grafen von Katzenelnbogen und den Herren von Hanau. 1393 gelangte das Pfand insgesamt an die Herren von Cronberg. 1425 verkaufte Gottfried von Eppstein das Amt an das Kurfürstentum Mainz.
Neuzeit
Zehntherr in Nieder-Roden war der Erzbischof von Mainz, der diese Einnahmequelle zeitweise als Lehen vergab. 1567 hatten die Herren von Wallbrunn und Johann Oiger Brendel von Homburg, ein Verwandter des damals regierenden Mainzer Kur-Erzbischofs, Daniel Brendel von Homburg, je die Hälfte des Zehnten zu Lehen inne. Auch die Herren von Wasen hatten in Nieder-Roden Besitz.
In den Jahren 1631–1634, während des Dreißigjährigen Kriegs, beschlagnahmte König Gustav II. Adolf das Amt als Kriegsbeute und stattete die nachgeborenen Hanauer Grafen Heinrich Ludwig von Hanau-Münzenberg (1609–1632) und Jakob Johann von Hanau-Münzenberg (1612–1636), die mit ihm verbündet waren, damit aus.[5] Da beide Grafen schon bald starben und der Westfälische Friede auf das Normaljahr 1624 abstellte, kam Nieder-Roden wieder an Kurmainz. Hier gehörte es zur Mainzer Amtsvogtei Dieburg.
Im Zuge der Säkularisation kam das Amt Steinheim 1803 an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, das spätere Großherzogtum Hessen. Die Pforten der Befestigung wurden 1812 niedergelegt. Bei der Aufteilung der Rödermark 1818 erhielt der Ort, wie die übrigen der Mark angehörenden Dörfer, einen Anteil am Wald. In Hessen gehörte Nieder-Roden zu folgenden Verwaltungseinheiten:[1]
1821 wurde Nieder-Roden dem Bezirk des Landgerichts Langen zugeordnet[6] und wechselte bei der großen Reform der Gerichtsbezirke 1853 zum Landgericht Seligenstadt.[7] 1879 wurde erstinstanzlich dann das Amtsgericht Seligenstadt zuständig.[8]
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Aus dem Ort entwickelten sich durch die Suburbanisierung in den 1960er und 1970er Jahren verschiedene Neubauten. Das markanteste Gebäude ist ein weithin sichtbarer 300 Meter langer Gebäuderiegel, der ironischerweise als "Chinamauer" bezeichnet wird. Eine ursprünglich geplante Erweiterung des Komplexes auf über 700 Meter Länge einschließlich einer Überbauung der Wiesbadener Straße kam nicht zur Ausführung.[9]
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen ging Nieder-Roden am 1. Januar 1977 mit den Nachbargemeinden Dudenhofen, Hainhausen, Jügesheim und Weiskirchen in der neu geschaffenen Großgemeinde Rodgau auf,[10][11] die 1979 Stadt wurde.[12] Für jeden der fünf Stadtteile wurde ein Ortsbezirk eingerichtet mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher.
Namensformen
Der Name Rotaha Marca/Mark Roden könnte „Siedlung auf einer gerodeten Aue“ bedeuten, ebenso aber auch darauf Bezug nehmen, dass die den Ort durchfließende Rodau, die bei Urberach im Rotliegenden entspringt, sich früher bei Hochwasser rot färbte. In erhaltenen Urkunden wurde Nieder-Roden unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]
Rotahen superiore et inferiore (791)
Rotaha (10. Jahrhundert)
Inferior Rotaha (1210–1220)
Nidirn Rota (1303)
Nidern Rodauw (1371)
Niddern Rode (1435)
Niddern Rodauwe (1480)
Niddern Rodawe (1500)
Nidern Roda (1523)
Nidder Roden (1550)
Sehenswürdigkeiten
Die katholische Pfarrkirche St. Matthias in Rodgau-Nieder-Roden (Fotografie, 2017)
1961: 727 evangelische (= 18,53%), 3120 katholische (= 79,53%) Einwohner
Nieder-Roden: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2011
Jahr
Einwohner
1829
787
1834
862
1840
947
1846
1.008
1852
1.087
1858
1.017
1864
961
1871
955
1875
1.033
1885
1.104
1895
1.318
1905
1.558
1910
1.714
1925
1.876
1939
3.616
1946
2.772
1950
2.942
1956
3.288
1961
3.923
1967
8.047
1970
9.651
2011
15.432
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt,1968. Weitere Quellen: [1][13]
Wappen
Das Wappen wurde am 7. April 1949 durch das Hessische Ministerium des Innern verliehen.
Wappen von Nieder-Roden
Blasonierung: „In Schwarz ein silberner Kirchturm, beseitet rechts von dem Eppsteinschen Schild: drei rote Sparren in Silber, links von dem Mainzer Schild: einem silbernen Rad in Rot.“[14]
Wappenbegründung: Ein im Gemeindebesitz befindlicher Stempel des frühen 19. Jahrhunderts, vermutlich ein Nachschnitt einer älteren Vorlage, mit der Umschrift: SIEGEL DER BÜRGERMEISTEREY NIEDER RODEN zeigt im Siegelfeld den Heiligen Matthias, einen Palmzweig in der Rechten und ein Beil in der Linken. Das dem Ort 1949 amtlich verliehene Wappen nimmt die Attribute des Ortsheiligen nicht auf, bringt dagegen durch die beiden Beischilde zum Ausdruck, dass der Ort aus eppsteinschem in Mainzer Besitz überging, was 1425 geschah. Dazwischen steht der kunsthistorisch interessante Turm der Ortskirche St. Matthias in der nötigen heraldischen Stilisierung.
Die Gestaltung des Wappens lag in den Händen des Heraldikers Georg Massoth.
Wissenswert
Puiseauxplatz: Hier quert der 50. BreitengradMotivbrunnen auf Nieder-Rodens Puiseauxplatz
Der 50. Breitengrad führt mitten durch Nieder-Rodens Puiseauxplatz.[15]
Im Zweiten Weltkrieg entstand während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gelände der heutigen Siedlung Rollwald das Straf- und Gefangenenlager Rollwald.[16]
Verkehr
1896 erhielt Nieder-Roden mit der Rodgaubahn Anschluss an die Eisenbahn und einen Bahnhof. Nachdem während des Umbaus der Bahnstrecke zur S-Bahn ab März 2001 der Schienenverkehr durch einen Busersatzverkehr ersetzt worden war, wurde Nieder-Roden im Dezember 2003 mit der S-Bahn-Linie S1 (Wiesbaden Hauptbahnhof–Ober-Roden) an das Netz der S-Bahn Rhein-Main angeschlossen.
Adam Groh (1916 in Nieder-Roden geboren; † 1996), Apostolischer Protonotar, Offizial und Domkapitular im Bistum Mainz
Albert Keller (1932–2010), Theologe und Philosoph
Helmut Ritter, 1948 in Nieder-Roden geboren, war bis Nov. 2014 Lehrstuhlinhaber für das Fach Organische Chemie/Makromolekulare Chemie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.[17] Helmut Ritter hatte in Marburg/Lahn Chemie studiert und ist zur Promotion an die JOGU Mainz gewechselt. 1976 bis Dez 1981 hat er bei Bayer in Uerdingen in der Forschung gearbeitet. Danach folgte der Wechsel an die BUGH Wuppertal bis 1987. Von 1988 bis 2001 hatte er einen Lehrstuhl an der JOGU Mainz (NF Ringsdorf) inne. Schließlich folgte er einem Ruf an die HHU Düsseldorf auf einen Lehrstuhl für OC/MC. Es gibt zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften, Patente und einige Lehrbücher.
Arbeitsgebiet war "Präparative Polymerchemie".
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1622–1676), Schriftsteller, nahm von 1634 bis 1636 zeitweise Quartier in Nieder-Roden während des Dreißigjährigen Krieges und der Belagerung Hanaus
Rio Reiser (1950–1996), Frontmann der Band Ton Steine Scherben, wohnte von 1965 bis 1968 in Rodgau Nieder-Roden
R.P.S. Lanrue (* 1950), Gitarrist der deutschen Band Ton Steine Scherben wohnte in den 1960er Jahren in Rodgau Nieder-Roden. Zu dieser Zeit absolvierte er eine Dekorateur-Lehre und spielte zusammen mit Rio Reiser bei den Beatkings, aus denen schließlich nach dem Umzug nach Berlin dann Ton Steine Scherben wurde
Britta Neander (1956–2004), Schlagzeugerin und Percussionistin der deutschen Band Ton Steine Scherben, Carambolage und Britta wohnte in Rodgau Nieder-Roden. Schwester von Ali Neander (Rodgau Monotones)
Hans-Joachim Rauschenbach (1923–2010), Sportreporter beim Hessischen Rundfunk, Moderator der ARD-Sportschau, wohnte von 1965 bis 1995 in Rodgau Nieder-Roden
Herbert Feuerstein (1937–2020), Ex-„MAD“-Chefredakteur, Harald Schmidts „Lieblingsopfer“, wohnte 1989–1993 in Rodgau Nieder-Roden
Nicole Brown Simpson (1959–1994), lebte als Kind in Nieder-Roden-Rollwald. Nach ihrer Ermordung 1994 wurde O. J. Simpson wegen Mordes an ihr angeklagt
Steffen Wink (* 1967), deutscher Schauspieler lebte von 1969 bis 1993 in Rodgau Nieder-Roden
Gerhard Zwerenz (1925–2015), deutscher Schriftsteller, wohnte Anfang der 1970er Jahre in Rodgau Nieder-Roden
Walter Picard (1923–2000), deutscher Pädagoge und CDU-Politiker, arbeitete ab 1949 als Volksschullehrer in Nieder-Roden und hatte die dortige Rektorenstelle von 1965 bis 1988 inne
Literatur
Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden: Nieder-Röder Gedenkbuch, Gefallene und Vermißte 1554–1946. Nieder-Roden 2005.
Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29, S. 138f.
Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 263ff.
Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 514ff.
Karl Pohl: Hier!? lag das karolingische Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-638-94679-7.
Karl Pohl: Das Ende des karolingischen Klosters Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-640-21187-6.
Karl Pohl: Die Flurnamen in der Gemarkung Nieder-Roden. Hrsg.: Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden e.V., 2009.
Karl Pohl: Nieder-Roden im Jahr 1622 (30-jähriger Krieg). Nieder-Roden 2009, ISBN 978-3-640-47656-5.
Karl Pohl: Vom Vogtshof zum Landgericht Nieder-Roden – Der „Niwenhof“ beim ehemaligen karolingischen Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2010, ISBN 978-3-640-68562-2
Karl Pohl: Die Äbtissinnen Aba und Hiltisnot und ihr karolingisches Rotaha. Nieder-Roden 2011, ISBN 978-3-640-83469-3
Karl Pohl: Das karolingische Kloster Rotaha im Lichte der Flurnamen Nieder-Rodens, 2012, ISBN 978-3-656-28157-3
Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. 1976, S. 156.
Regina Schäfer, Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 68. Wiesbaden 2000, S. 69, 367, 374f.
Helmut Simon: Chronik der Pfarrgemeinde St. Matthias Nieder-Roden. Nieder Roden 1996.
Helmut Simon: Die kranke Kuh und andere Geschichten aus den früheren Zeiten Nieder-Rodens, Nieder-Roden 2009.
Philipp Rupp: Geschichten aus Alt-Nieder-Roden. Nieder-Roden 1985.
Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen, Kreis Offenbach. Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 263–267.
Johann Wilhelm Christian Steiner: Geschichte und Alterthümer des Rodgaus im alten Maingau. Heyer, Darmstadt 1833.
Werner Stolzenburg: Rollwald– vom Wald zur Siedlung. Frankfurt 1992.
Werner Stolzenburg u.a.: 100 Jahre Rodgau-Bahn 1896–1996. Rodgau 1996.
Richard Wille: Hanau im Dreißigjährigen Krieg. Hanau 1886, S.91, 593f.
Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14.Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr.33, S.403ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Offenbach (GVBl. II 330-33) vom 26.Juni 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr.22, S.316–318, §6 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags[PDF; 1,5MB]).
Statistisches Bundesamt (Hrsg.):Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. Mai 1970 bis 31. Dezember 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S.375.
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