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Die Waldsiedlung in Bernau bei Berlin ist eine eineinhalb Quadratkilometer große Wohnsiedlung, die als geschlossene Siedlung für die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK der SED gebaut und bekannt wurde. Die ab 1958 entstandene Anlage wird häufig aufgrund der Nähe zum Ort Wandlitz auch als Waldsiedlung Wandlitz (oder umgangssprachlich kurz Wandlitz) bezeichnet, liegt jedoch nicht auf dem Gebiet des gleichnamigen Ortes. Das bewachte Gelände wurde nach der friedlichen Revolution in der DDR geöffnet, umgestaltet und zu großen Teilen neu bebaut. Es liegt auf dem Gebiet der Stadt Bernau und ist seit 2001 als Wohnplatz der Stadt ausgewiesen. Im Juni 2017 hat die brandenburgische Landesregierung die historische Bebauung der Siedlung unter Denkmalschutz gestellt.[1]

Waldsiedlung
Höhe: 70 m
Fläche: 1,5 km²
Eingemeindung: 1. Juli 2001
Postleitzahl: 16321
Vorwahl: 033397
Haupteingang/Wache zum früheren „Innenring“ der Waldsiedlung (Aufnahme: Juli 2004)
Haupteingang/Wache zum früheren „Innenring“ der Waldsiedlung (Aufnahme: Juli 2004)
Haupteingang/Wache zum früheren „Innenring“ der Waldsiedlung (Aufnahme: Juli 2004)

Geschichte



Bau und Bezug


Bebauungsplan Waldsiedlung 1959–1989
Bebauungsplan Waldsiedlung 1959–1989

Die Siedlung wurde 1958 bis 1960 auf Beschluss des SED-Politbüros inmitten eines Waldgebietes gebaut, das bei der einheimischen Bevölkerung als Schießstände bekannt war. Die fertige und auf keiner Landkarte verzeichnete Siedlung, in die zunächst 23 Politiker mit ihren Familien einzogen, unterstand der Hauptabteilung Personenschutz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Mitglieder des Politbüros konnten dort besser gesichert werden als in ihren Villen am Majakowskiring in Berlin-Niederschönhausen. Den Wohnsitz in die Waldsiedlung zu verlegen, war mit der Berufung in das Politbüro für in Berlin tätige Mitglieder obligatorisch.


Sicherung


Mauer am Westrand des Areals in Originalhöhe, Innenansicht, August 2010
Mauer am Westrand des Areals in Originalhöhe, Innenansicht, August 2010

Die Abschirmung war von außen nicht unmittelbar erkennbar. Der äußere Ring wurde durch einen Maschendrahtzaun umsäumt, an dem Schilder mit dem Hinweis auf ein Wildforschungsgebiet hingen. Der innere Ring, der nur teilweise vom äußeren Ring umschlossen war, war mit einer zwei Meter hohen und rund fünf Kilometer langen grün angestrichenen Beton-Sicherungsmauer umgeben und durfte nur mit Sonderausweis betreten werden. Das Gelände mit seinen vier Toren wurde vom Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ gesichert. Zusätzlich war die PS-Wache (Hauptabteilung Personenschutz) eingesetzt. Insgesamt bestand der Sicherungsbereich aus 33 Postenbereichen, einschließlich der Postenbereiche 32 (Badestelle Liepnitzsee) und 33 (Haus am See – Sommerhaus der sowjetischen Botschaft). Zwei Posten waren in vorgelagerten Wachtürmen untergebracht. Die Bewachung wurde als „Militärisch-operativer Sicherungsdienst“, unter Diensttuenden mit „MOS“ bezeichnet. Das Wachpersonal umfasste rund 140 Personen.[2]

Die Sicherungsposten hatten einen pilzförmigen Unterstand mit einem aus dem Bergbau bekannten explosionsgeschützten Telefon. Die Tore wurden zusätzlich zu den Posten auch per Video überwacht. Die grüne Mauer war nachts etwa alle 30 Meter mit einer Leuchtstofflampe beleuchtet. Bei Nebel wurde eine zweite nach oben leuchtende dazugeschaltet. In einigen Abschnitten waren Signalanlagen auf der Mauer befestigt. Die Posten hatten jeweils über 24 Stunden Dienst und wurden in dieser Zeit vier Mal abgelöst.


Leben in der Siedlung zwischen 1960 und 1990


Ehemaliges Haus 11 (Honecker), heute Habichtweg 5, Bauzustand 2010
Ehemaliges Haus 11 (Honecker), heute Habichtweg 5, Bauzustand 2010

Die ersten Bewohner zogen im Sommer 1960 in die Waldsiedlung ein. Sie bestand im inneren Ring zunächst aus 21 ein- und zweistöckigen Einfamilienhäusern mit teils 7 und teils 15 Zimmern, letztere mit bis zu 180 Quadratmetern Grundfläche, einem Klubhaus mit Arztpraxis, Schwimmbad, Sauna, Kino und Gaststätte, einem Jagd- und Handfeuerwaffen-Schießstand und einem Sportplatz mit Tennisanlage. Im sogenannten äußeren Ring (der den inneren aber nur teilweise umschloss) gab es unter anderem eine Gärtnerei, eine Poliklinik sowie Wohn- und Sozialgebäude für Angestellte und Wachpersonal. In der Siedlung wohnten die Funktionäre des SED-Politbüros auf einem für DDR-Verhältnisse sehr hohen Niveau. Über eine als Ladenkombinat bezeichnete Verkaufseinrichtung gelangten die Bewohner und ihre Familien in den Genuss hochwertiger DDR- und Westerzeugnisse sowie eines außergewöhnlichen Angebots an Frischobst und -gemüse. Nahezu jeder Einkaufswunsch, auch mittels Bestellung per Katalog und Einkäufen in West-Berlin, konnte erfüllt werden. Verantwortlich dafür war der Sektor Letex des Bereichs Kommerzielle Koordinierung. Als während der friedlichen Revolution im November 1989 die Sendung Elf 99 des DDR-Fernsehens den relativen Luxus von Wandlitz zeigte, trug dies zur Empörung der Bevölkerung über das Regime bei, dabei war zu diesem Zeitpunkt das Sortiment des Ladenkombinats schon deutlich reduziert.

Ein Stab von über 60 Hausangestellten (alles MfS-Angestellte mit militärischem Dienstgrad) sorgte sich um alle Aspekte des täglichen Lebens, insgesamt wurden 650 Bedienstete in der Siedlung beschäftigt.[1] Die Mitglieder der Partei- und Staatsführung leisteten sich in der Waldsiedlung einen Lebensstil, der weit über dem eines normalen DDR-Bürgers lag. Dies und die Abschottung von der eigenen Bevölkerung trugen zur Entfremdung zwischen der Führung und dem Volk bei und wurden während der Wende, aber auch schon zuvor, immer wieder scharf kritisiert. Die Verwaltung der Siedlung betrieb eine eigene Müllabfuhr, die dafür zu sorgen hatte, dass Müll und Abfall nicht zu einer kommunalen Deponie gebracht werden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass die DDR-Bevölkerung erfuhr, in welch hohem Maße die Einwohner der Siedlung mit Konsumgütern aus dem Westen versorgt wurden.[3]


Ehemalige Bewohner der Waldsiedlung


Alphabetisch sortiert (in Klammern die ehemalige Hausnummer, Straßennamen gab es nicht)[4]

Auflösung der Politikersiedlung und Nachnutzung


Erste Kurgäste in der Brandenburgklinik, Januar 1990
Erste Kurgäste in der Brandenburgklinik, Januar 1990

1989 mussten die Bewohner auf Beschluss der DDR-Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow die Siedlung verlassen. 1990 wurde die Brandenburg Klinik Bernau als erstes großes Rehabilitationszentrum in den neuen Bundesländern auf dem Gelände der Waldsiedlung errichtet. Mit dem Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 begann ein umfassendes Bau- und Renovierungsprogramm.

Außer den Reha-Kliniken und anderen neu gebauten Einrichtungen wurden die früheren Wohngebäude vermietet. Eine Vielzahl neuer Wohnhäuser ist hinzugekommen. Ein komplett angelegtes erweitertes Wegesystem mit den Hauptachsen Brandenburgallee (West-Ost-Richtung) und Kurallee (Nord-Süd-Richtung) erschließt den Bernauer Stadtteil.


Leben in der Waldsiedlung nach 1990



Gesundheit und Gewerbe


Ab 1990 erfolgte die schrittweise Umwandlung der Häuser der Waldsiedlung in medizinische und Betreuungseinrichtungen unter der Leitung des ehemaligen stellvertretenden Ministers für Gesundheit der DDR, Ulrich Schneidewind.[5] Per Dezember 2011 sind auf dem Gelände vorhanden:

Haupthaus der Brandenburgklinik
Haupthaus der Brandenburgklinik
Alle Kliniken umfassen rund 1000 Betten.[1]

Außerdem haben sich in einigen vorhandenen oder neu errichteten Hallen Firmen angesiedelt wie Möbel-Wolf (Lager, Spedition, Werksverkauf), eine Lebensmittelkette oder eine Gärtnerei.


Wohnbereich


Ein Netz aus elf Straßen in West-Ost- und drei Straßen in Nord-Süd-Richtung erschließt das Gelände. Für die Bewohner gibt es Dienstleister wie Friseur, Kosmetik, Schneider, Arztpraxen, Restaurants, Imbiss. Eine Sonderschule für geistig Behinderte und eine Montessori-Schule vervollständigen das Angebot.


Kunst in der Siedlung


Keiler von Waldemar Grzimek, heute Zufahrt Klinik I nahe Haupteingang
Keiler von Waldemar Grzimek, heute Zufahrt Klinik I nahe Haupteingang

Auf dem Gelände wurden nach Fertigstellung der Bebauung zahlreiche Kunstwerke aufgestellt. Dazu gab es eine Kommission, die aus bereits vorhandenen Skulpturen eine Auswahl traf. Etwa 13 Bronzefiguren wurden dann vor Gemeinschaftseinrichtungen wie dem Schwimmbad, dem Sportplatz oder der Verkaufseinrichtung und in Hausgärten aufgestellt, beispielsweise Ruhender Tänzer von Waldemar Grzimek am Haus von Günter Schabowski, Stehender Akt von Lore Plietzsch im Garten von Werner Krolikowski. Weitere Figuren und Kunstwerke, auch aus Sandstein, von bekannten Künstlern wie Walter Arnold oder Gerhard Geyer, ein Terrakottabild und ein Mosaik der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, Putzkeramik von Heidi Manthey und Kunstschmiedearbeiten an Zäunen und Toren schmückten ebenfalls die weitläufige Anlage.[12]

Einige der Kunstwerke wurden nach 1990 gestohlen oder bei der Umwandlung des Geländes zu einer Klinik an neue Standorte umgesetzt. Im Frühjahr 2010 verschwanden weitere Skulpturen, was von den Verantwortlichen der Klinik und vom Kulturdezernenten der Stadt Bernau mit Sicherstellung und fachgerechter Sanierung erklärt wurde. Im Herbst 2011 befanden sich von den Skulpturen nur noch der Keiler von Waldemar Grzimek und das Fritz Kühn zugeschriebene schmiedeeiserne Haupttor im Gelände. Fünf der verschwundenen Skulpturen konnten inzwischen zurückgewonnen werden, sie waren in Privatgärten und im Kunsthandel aufgetaucht, selbst auf einer Mülldeponie wurde eine gefunden.

Das Bernauer Kulturamt hat die Skulpturen in einer Ausstellung in ihrem „Kunstraum Innenstadt“ zusammengestellt und bietet begleitend einen Ausstellungsband mit Künstlerbiografien, kurzer Werkschau und historischem Hintergrund dazu. Der Eintritt ist kostenfrei.[13]


Verkehrsanbindung


Die Waldsiedlung liegt an der Bundesstraße 273 zwischen Wandlitz und Bernau. Die Autobahnanschlussstelle Wandlitz an der A 11 Berlin–Stettin ist etwa drei Kilometer entfernt. Anlässlich eines größeren Straßenumbauprogramms in den 2010er Jahren, wegen größerer Schäden an der Betondecke nötig, wurde der gesamte Abschnitt der B 273 auf je einen Fahrstreifen pro Richtung zurückgebaut und asphaltiert.

Die jetzigen Bewohner der Siedlung sowie die Patienten und Gäste der Klinikeinrichtungen können eine Anfang der 2000er Jahre eingerichtete Busverbindung (Linie 894) der Barnimer Busgesellschaft (BBG) nutzen. Sie ermöglicht Anschlüsse an die S-Bahn und Regionalbahn in Bernau oder an die Heidekrautbahn in Wandlitz.[14]


Literatur




Commons: Waldsiedlung (Bernau bei Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise


  1. Jens Blankennagel: Ulbrichts Haus steht unter Denkmalschutz. Die Waldsiedlung, das Zuhause des SED-Politbüros, gilt nun offiziell als historisch wertvoller Ort. In: Berliner Zeitung, 17./18. Juni 2017, S. 16. (Printausgabe). (online: ).
  2. Andreas Malycha: Die SED in der Ära Honecker. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2014, S. 21
  3. Bernd Brückner: An Honeckers Seite. Der Leibwächter des Ersten Mannes. Verlag Das Neue Berlin. Berlin 2014, S. 100.
  4. Quelle: Paul Bergner: Die Waldsiedlung, Seite 273.
  5. Detail aus der Chronik der Wende vom rbb (online), abgerufen am 19. Dezember 2011.
  6. Brandenburgklinik
  7. Website Brandenburgklinik mit dem Hinweis auf die erfolgte Umbenennung, abgerufen am 31. August 2014.
  8. Webseite der Kinder-Nachsorgeklinik
  9. Webseite mit Informationen zum Wachkoma-Zentrum
  10. Webseite mit Informationen zum Seniorenzentrum Birkenhof
  11. Webseite Seniorenresidenz Lindenhof
  12. Andreas Fritsche: Sanieren in der Waldsiedlung ohne Hand und Fuß. Aus den ehemaligen Hausgärten der SED-Politbüromitglieder sind die Bronzeskulpturen entfernt worden. Neues Deutschland vom 7. April 2010
  13. Nackte Damen gucken. Skulpturensammlung der Waldsiedlung Bernau wird zahlreich besucht. In: Märkischer Sonntag vom 6./7. Juli 2013, S. 7.
  14. Buslinie 894 mit allen Haltestellen; hier: Bernau Brandenburg-Klinik; abgerufen am 10. Dezember 2017.



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